Ich habe in der letzten Woche, von Ushuaia aus bis hier nach Bariloche, in diversen Bussen und Tramper-Autos sehr viel Zeit auf meinem Hintern verbracht. So viel, dass ich mir tatsächlich irgendwann in dieser Zeit, wohl beim Schlafen, eine Vene im Bein abgeklemmt habe und nun eine Thrombose am Hintern habe. Unschön. Es tut weh. So weh, dass ich kaum noch gerade sitzen kann.
Ein tolles Thema um einen Blog anzufangen, sehe ich ein, aber es ist gerade nun mal leider Fakt und ich beschließe aufgrund dessen einige Tage hier in Bariloche zu bleiben, um dieses schmerzende Geschwür ein wenig abklingen zu lassen, bevor ich meinem Sitzfleisch weitere südamerikanische Straßen zumute.
Bariloche wird nicht umsonst die argentinische Schweiz genannt. Die Natur ist wirklich atemberaubend schön. Leider ist allerdings auch alles hier, wie in der Schweiz, unglaublich teuer. Von den Hostels/Hotels über die Bars & Restaurants, bis zu den täglichen Einkäufen. Suboptimal also, dass ich gerade hier zu einem längeren Aufenthalt gezwungen werde. Das reißt ein Loch in die Reisekasse.
Schon am ersten Abend in meinem Hostel lerne ich Juep & Rasmus, zwei sehr nette Schweden kennen. Wir ahnen alle drei noch nicht, dass wir uns noch in diversen anderen Städten treffen werden, aber ich greife vor…
Wir gehen mit einigen anderen aus dem Hostel zusammen etwas essen und lassen uns danach ein bisschen durch Bariloches Nachtleben treiben. Und das kann sich durchaus sehen lassen.
Am nächsten Morgen sitze ich am PC um mal wieder ein paar Reisenotizen zu schreiben, da bekomme ich plötzlich eine Mail von Patricia, der netten älteren Hostel-Mitarbeiterin aus El Bolsón. Sie hat spontan die Arbeit dort geschmissen, weil der Chef nicht sehr nett zu ihr war und ist nun wieder in ihrem Haus in Bariloche. Wenn ich einen Schlafplatz brauchen würde, soll ich mich sehr gerne bei ihr melden.
Und wieder einmal fügt sich eines zum anderen. Diese unglaublichen „Zufälle“ sind genau das, was ich am Reisen so liebe. Ich schreibe ihr, dass ich heute Nacht noch im Hostel bleiben werde da dies schon gebucht ist, aber sehr gerne morgen auf ihr Angebot zurückkomme.
Doch eine andere E-Mail in meinem Postfach lässt mich erst einmal alles um mich herum vergessen:
Gisbert Hiller, der Veranstalter des Mittelalterlich Phantasie Spectaculums schreibt mir in einer ernsten Mail, dass Sunny, meine Ex-Freundin und Malte, ihr neuer Freund und ein guter Musiker-Kollege von mir, vorgestern in Marrakesh „verunglückt“ seien. Ich gehe wie im Traum auf Google und suche nach „Marrakesh“, „Unfall“ und „deutsche Touristen“. Der erste Treffer, Datum vorgestern:
„Zwei deutsche Touristen bei einem Autounfall in Marrakesh ums Leben gekommen“.
Mit zitternder Hand und meinem Herz im Hals klicke ich auf den Link. Mir ist heiß und eiskalt gleichzeitig. Ich nehme nichts mehr um mich herum mehr wahr. Ich lese den Artikel. Zwei Deutsche Touristen sind vorgestern auf einer dicht befahrenen Straße in Marrakesh bei einem schweren, noch ungeklärten Autounfall ums Leben gekommen, zwei weitere Touristen im selben Auto wurden schwer verletzt. Bei den Toten handele es sich um ein älteres Ehepaar, die zwei anderen waren ebenfalls junge Deutsche. Wie ferngesteuert stehe ich vom PC auf, vergesse meine Sachen die dort liegen und sogar mich aus meinem Mailkonto abzumelden und lasse mir vom Hostelmitarbeiter den Weg zum nächsten international Phoneshop erklären. Dort angekommen rufe ich, noch immer wie in Trance, Sunnys Eltern an. Ihr Vater nimmt ab und beruhigt mich, dass es Sunny und Malte, den Umständen entsprechend gut ginge. Malte ist sehr glimpflich davon gekommen und hat lediglich ein paar Schrammen. Sunny hat sich wohl die Hüfte und einen Arm gebrochen. Sie seien im Krankenhaus und das auswärtige Amt versucht gerade einen Rücktransport zu organisieren. Mehr wissen auch ihre Eltern noch nicht, sie halten mich aber auf dem Laufenden.
Was für ein Schock. Der Moment in dem ich die Headline auf Google lese, läuft immer und immer wieder wie ein Film vor meinen Augen ab. Ich kaufe mir ein Bier und setze mich erst mal in den Park um meine Nerven wieder etwas zu beruhigen. Ich fühle mich, als würde ich neben mir sitzen. Noch am selben Abend gehe ich in eine große Mall in Bariloche und kaufe mir eine argentinische Simkarte und ein einfaches, kleines (viel zu teures) Smartphone, da mir meines ja direkt am Anfang der Reise gestohlen wurde. Ich will wissen wie es Sunny geht und mit ihr selbst schreiben…
Info am Rande: Technik in Argentinien ist ungefähr eineinhalb mal so teuer wie gewohnt.
Abends im Hostel (mir war heute nicht mehr nach ausgehen), lerne ich Sebastian, einen deutschen Backpacker kennen. Er ist heute erst angekommen. Da wir beide den Plan haben uns in den nächsten Tagen noch die Umgebung von Bariloche anzuschauen, tauschen wir Nummern aus. Ich kann nicht schlafen in dieser Nacht, was für ein Wunder und setze mich an den PC um mal wieder ein bisschen Blog zu schreiben. PC gegen Schlaf quasi.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen packe ich meinen Kram und nehme mir ein Taxi um zu Patricia zu fahren, die am Rand von Bariloche wohnt. Sie begrüßt mich so herzlich als würden wir uns schon ewig kennen und hätten uns seit mindestens drei Monaten nicht gesehen. Schon verrückt, wie intensiv manche Begegnungen auf Reisen sind. Ich bedanke mich bei Patricia für ihre Gastfreundschaft, indem ich jeden Abend meines Aufenthaltes für sie und ihre Tochter koche.
Die nächsten zwei Tage mache ich mit Sebastian Ausflüge in die Umgebung von Bariloche. Patricia versorgt uns dabei mit besten Insider Tipps, welche Ausblicke man hier auf gar keinen Fall verpassen sollte. Die Ergebnisse davon seht ihr über diesen Blogbeitrag verteilt auf den Fotos.
Zwei Tage lang wandern wir durch schönste Natur, besuchen die besten Aussichtspunkte von Bariloche und lassen die Ruhe auf uns wirken. Am zweiten Tag auf der Rückfahrt Richtung Bariloche, hält unser Busfahrer an einer riesigen Wiese an und deutet auf das protzige Hotel im Hintergrund. Llao Llao, ein sehr exklusives, teures und wahnsinnig luxuriöses Golfhotel. Das beeindruckende Gebäude thront eindrucksvoll auf seinem grünen Hügel. Leider ist es für Nicht-Gäste nicht zugänglich und so müssen wir uns mit dieser Außenansicht begnügen. Eindrucksvoll ist es trotzdem.
Wir beschließen das letzte Stück des Rückweges per Anhalter zurück zu legen und steigen am nächsten Parkplatz, an einem wunderschönen See aus, holen uns kurzerhand im nächsten Restaurant zwei Biere in Plastikbechern und setzen uns zum Sonnenuntergang an den Strand.
Herrlich im Urlaub. Ich kann es kaum erwarten wieder in die Sonne und vor allem in die Wärme des Nordens zu kommen um endlich wieder an einem Strand zu sitzen, wo ich auch ohne zu erfrieren baden gehen kann. Hier ist das trotz dieser Jahreszeit absolut nicht zu empfehlen. Viel zu kalt.
Am letzten Abend bei Patricia bedanke ich mich bei ihr und ihrer Tochter mit einem kleinen Abschiedskonzert, auf der Hausgitarre. Die beiden sind wirklich herzensgute Menschen und ich erfreue mich daran, wie sehr sie sich über meine Musik freuen. Diese Begegnung werde ich so schnell nicht vergessen und diese herzliche Gastfreundschaft werde ich noch lange Zeit im Herzen mit mir herum tragen.
Um den Blog mit dem gleichen Thema zu beenden mit dem ich angefangen habe:
Meinem Hintern geht es dank meiner kleinen Pause hier zum Glück wieder bedeutend besser. Die kleine Zyste hat sich in den letzten drei Tagen deutlich zurückgebildet und ich glaube ich kann meinem Hintern nun wieder gefahrlos (wenn man den Verkehr denn hier so nennen möchte) die südamerikanischen Straßen zumuten.
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