Immer noch überwältigt von der unglaublich schönen Natur der letzten Tage im Torres del Paine Nationalpark, stehe ich wieder in El Calafate. Der Park ist nicht das einzige Naturwunder, welches man gut von hier aus bewundern kann. Auch der weltberühmte Gletscher Perito Moreno, liegt nur einen Steinwurf entfernt. Als ich die Tour dorthin buchen will stelle ich fest, dass mein Geldgürtel (ein unauffälliger Leder-Gürtel mit einem Reißverschluss auf der Innenseite) leer ist. Das wäre nicht das Problem, wenn ich mit meiner Kreditkarte Geld abheben könnte, doch diese weist mich darauf hin, dass mein Konto ebenfalls leer ist. Dabei habe ich doch extra noch Geld überwiesen vor der Reise. Was ist passiert?
Anstatt direkt auf meine Kreditkarte zu überweisen, habe ich aus Versehen das Geld auf mein normales Konto gebucht. Scheiße! Kreditkarte und Konto sind zwar miteinander verbunden, allerdings bräuchte ich nun meine TAN-Liste um vom einen aufs andere Konto zu überweisen, die ich aber nicht dabei habe (Handy-TAN gab es 2014 ja noch nicht). Ich muss meine Bank anrufen, was natürlich von Südamerika nach Deutschland auf jeden Fall sündhaft teuer wird. Blöd nur: Nicht mal dafür reicht mein derzeitiges Geld noch aus. Ich kann nicht mal die Nacht in meinem Hostel bezahlen.
Oh man! Keiner, der nicht schon einmal ohne einen Cent in der Tasche in einem fremden Land gestrandet ist, kann dieses Gefühl nachvollziehen. Man steht da und kann einfach nichts machen. Immerhin bin ich ja Künstler, ich könnte mich also zur größten Not noch mit meiner Ukulele an die Straße stellen und singen…
Zum Glück muss ich auf diese Notlösung nicht zurückgreifen. Im Hostel treffe ich Andrea, die Österreicherin, mit der ich die letzten Tage in Torres del Paine unterwegs war. Sie hebt mir ohne groß zu fragen von ihrem Konto 250€ ab und reicht mir kommentarlos das Geld. Ich könne es ihr irgendwann wenns passt einfach wieder zurück überweisen.
Auch wenn ich die letzten Tage mit ihr unterwegs war und auch wenn wir uns diese Reise schon des öfteren über den Weg gelaufen sind, bin ich für sie ja eigentlich immer noch ein fremder Mensch. Ich glaube so ein Vertrauen und so eine Hilfsbereitschaft findet man wirklich nur unter Reisenden.
Unglaublich erleichtert rufe ich (für circa 16€ für 11 Minuten Gespräch) meine Bank an. Ich habe eine sehr nette Bearbeiterin am Telefon, die mir nach Abgleich meiner Daten ausnahmsweise einen größeren Betrag von meinem Konto auf die Kreditkarte umbucht. Puh!
Das, was sich hier nun so locker liest, hat mich fast einen kompletten Tag lang sehr auf Trab gehalten. Was wäre gewesen wenn…? Ich möchte gar nicht darüber nachdenken…
Am darauf folgenden Tag geht es zum Gletscher.
Der Perito Moreno (nicht verwechseln mit der sehr viel nördlicher gelegenen, gleichnamigen Stadt) ist mit seinen 30 Kilometern Länge und knappen 250 Quadratkilometern Fläche einer der größten Gletscher der südamerikanischen Anden. Die wirkliche Attraktion ist aber, dass dieser Gletscher als einer der wenigen nicht abnimmt, sondern wächst. Bis zu zwei Meter am Tag(!) legt der Gletscher zu. Dies wiederum führt zu einer sehr hohen „Kalbungsgeschwindigkeit“. Fast stündlich lösen sich kleinere und auch mal größere Stücke der bis zu 70 Meter hohen Gletscherwand ab und stürzen mit einem unbeschreiblichen Geräusch ins Meer. Ich stehe fast drei Stunden lang vor diesem eisigen Ungetüm, lausche dem knacken, knirschen und knarzen der Eismassen und sehe immer wieder Stücke des Gletschers ins Meer brechen. Die Geräusche des knackenden Eises, der Moment, wenn wieder ein tonnenschweres Stück Eis abbricht, das Sonnenlicht, welches den Perito Moreno in ein kristallenes türkisblau taucht, all das lässt sich einfach nicht beschreiben. Selbst die Bilder sind nur ein Tropfen auf das kalte Eis. Es ist einfach unbeschreiblich.
Abends gehe ich noch zusammen mit zwei anderen Reisenden, die ich im Torres del Paine Nationalpark kennengelernt habe, in einem vegetarischen Restaurant essen. Ich esse gefüllten, überbackenen Kürbis und möchte euch an dieser Stelle, völlig ohne Affiliate, einfach nur ganz, ganz dringend dieses wunderbare Restaurant empfehlen: Pura Vida, El Calafate. Man sieht, fühlt und schmeckt hier einfach, dass dieses Haus die Erfüllung eines Traumes für die Besitzer ist.
Abends im Hostel erwarten mich gleich zwei Überraschungen. Die erste ist auf den ersten Blick weniger schön, denn mein Flug nach Santiago ist soeben gecanceled worden. Mist. Allerdings sehe ich kurze Zeit später auf Azimo (noch so ein wahnsinnig guter Affiliate Tipp) die nächste Überraschung und die ist wesentlich positiver: Die Rate für den argentinischen Dollar liegt gerade bei 14,2 zu 1. Das heisst ich bekomme derzeit 14,2 Dollar für einen Euro. Die Rate in der Bank derzeit beträgt circa 8 zu 1. Ich bekomme auf Azimo also gerade fast das doppelte Geld für mein Geld. Hier bekommt man teilweise einen besseren Blue-Dollar-Kurs, als auf der Straße. Der Plan für die weitere Reise ist also schnell gefasst, denn die nächste Auszahlungs-Stelle von Azimo, liegt in Puerto Madryn, dem Ort, an dem ich an Weihnachten meinen Tauchschein gemacht habe.
Eigentlich möchte ich ja Richtung Bariloche reisen, aber für so einen Kurs nehme ich gerne mal 800km Umweg in Kauf.
Der nächste Tag begrüßt mich mit Regen und Wind. Der perfekte Zeitpunkt um dem kalten Süden den Rücken zu kehren. Aber vergessen werde ich diesen unglaublich schönen Teil der Erde wohl nie! Was für eine unfassbare Weite, was für eine unbeschreibliche Natur!
1 Kommentar
Luisa
Posted at 00:48h, 31 JanuarIch war bisher nur im Norden Argentiniens. Sollte ich nochmal nach Südamerika zurückkehren, werde ich den Gletscher und den Nationalpark, über den du berichtet hast, auf jeden Fall mitnehmen. Toller Bericht und wunderschöne Bilder!