14. Juli. Ich sitze mit den Red Hot Chili Peppers (Californication) auf den Ohren und freiem Oberkörper auf dem Crew Sonnendeck, trinke Kaffee, freue mich über das heutige Erscheinen meiner CD LARP – Vol.I und schreibe endlich ein mal wieder Blog.
Ich bin nun seit exakt einem Monat an Bord und dies ist tatsächlich mein erster (fast) freier Tag. Meine einzigen beiden Pflicht-Tagespunkte heute sind zwei Meetings. Eines mit dem Entertainment Department und das andere mit der gesamten Crew des Schiffes, mit allen 1021. Das sogenannte monatliche Kapitäns-Meeting, bei dem der Kapitän zur Crew spricht, die aktuellen Zahlen des Schiffes und der Flotte vorstellt, sowie die Mitarbeiter des Monats kürt.
Nach all den Proben in den letzten Wochen, der wenigen Zeit an der frischen Luft und der Kälte des Nordens, tut die Sonne wirklich gut. Schade, dass heute ausgerechnet ein Seetag ist. Ich wäre gerne mal wieder spazieren gegangen, oder hätte mir einen der interessanten Orte der Reise angeguckt. Wir waren mittlerweile zwei Mal in Spitzbergen. Beim ersten Mal hatte ich Proben für Varieté, unserem Zirkus-Stück für unsere Artisten und beim zweiten Mal hatte ich Proben für Harry und Sally. Aber bei unserem zweiten Aufenthalt hatte ich immerhin eine Pause von exakt 45 Minuten. Anstatt Essen zu gehen (was vermutlich vernünftiger gewesen wäre), bin ich kurzerhand raus gegangen, um zumindest mal 30 Minuten lang meine Füße auf spitzbergigen Boden gesetzt zu haben. Dabei heraus gekommen sind ein paar wenige, aber schöne Fotos.
Was für eine Gegend. Ich frage mich wirklich, wie man hier leben kann. Ein halbes Jahr fast nie Nacht, das andere halbe Jahr dafür fast nie Tageslicht und dazu diese ständige Eiseskälte… Selbst, wenn man mir hier eine Villa schenken würde, würde ich wohl artig Danke sagen, aber ablehnen. Nichtsdestotrotz eine sehr interessante Gegend, um sie mal besucht zu haben, aber länger Urlaub machen würde ich dann doch lieber etwas südlicher.
Morgen früh legen wir nach der längsten Kreuzfahrt meines gesamten Vertrages (17 Tage) mit den meisten Seetagen überhaupt (9 Tage), endlich wieder in Kiel an. Dort werden dann für die kommende Reise, Dänemark, Baltikum und Russland, für 12 Tage meine Eltern mit an Bord kommen. Ich bin sehr gespannt, wie Ihnen das Leben auf See so gefällt und bekommt.
Ich fühle mich hier mittlerweile sehr wohl. An das Schaukeln, welches in den nördlichen Regionen fast immer mit dazu gehört, habe ich mich gewöhnt und finde es angenehm beruhigend. Auch wenn man durch diese Bewegung irgendwie immer etwas matschig im Kopf ist und schnell müde wird.
Das Essen in der Crew-Mess ist, für eine Großküche wirklich gut und auch, in einem gewissem Rahmen, abwechslungsreich. Klar gibt es oft das Gleiche, aber aufgrund des relativ großen Salatbuffets, der Ausgabe mit einem Wok und einem Nudelgericht, sowie der Grillstation mit jeweils Fisch und Fleisch und den Minipizzen, findet man eigentlich immer irgendwas, das einem schmeckt. An meine Kabine habe ich mich mittlerweile auch gewöhnt. Sowohl an die „Größe“, als auch an die Geräusche in der Nacht. Ich schlafe ohne Probleme durch und das sogar ohne Ohropax. Ich habe mittlerweile sogar heraus gefunden wo ich meine eigene Wäsche und wo ich meine Uniform waschen kann. Ja, wir haben auch eine ganz offizielle Uniform, die wir zu offiziellen Zwecken, wie dem Pax-Drill (der Seenotrettungsübung für die Passagiere vor jeder Reise), Trainings, oder auch bis um 22Uhr im Gästebereich tragen müssen. Sieht mit dem gestreiften Hemd ein bisschen nach Eisverkäufer aus, aber hey, ich hatte schon schlimmere Uniformen in meinem Leben an. Ich sage nur Fleck-Tarn…
Eine Nacht vor Spitzbergen gab es eine Sauna-Nacht für die Crew. In den Saunabereich dürfen wir normalerweise leider nicht. Um so schöner, dass das Crew-Welfare-Team ungefähr ein Mal im Monat eine Sauna-Nacht organisiert. Es ist schon strange nachts um ein Uhr, bei Sonnenschein(!), im elften Stock eines Schiffes, vor einer Glaswand mit Blick auf die freie See, in einer Sauna zu schwitzen.
Die Arbeitstage werden zum Glück auch langsam etwas ruhiger. Die Trainings sind seit vorgestern fast vorbei, den schriftlichen Sicherheitstest habe ich bestanden und die Proben sind nun auch fast alle durch. Vielleicht kehrt ja nun endlich mal so etwas wie „Alltag“ für uns ein.
Wir sind immer noch im hohen Norden unterwegs und es ist immer noch sau kalt. Wobei das, was ich so vom Sommer in Deutschland erzählt bekomme irgendwie nicht viel besser klingt. Ich kann es schon jetzt kaum erwarten endlich über die Biskaya in den Süden, nach Spanien und Portugal aufzubrechen und gegen Ende des Jahres dann noch ein bisschen Sonne zu tanken, bevor es ins herbstliche Deutschland zurück geht. Vor ein paar Tagen waren wir am Nordkap. Es ist zwar nicht der nördlichste Punkt von Europa, aber trotzdem, vielleicht ob des Namens, ein sehr touristischer Punkt auf der norwegischen Landkarte. Das Crew-Welfare-Team, hat hier eine sehr schöne Crew-Tour angeboten, an der ich, dank Proben-Ausfall sogar teilnehmen konnte. Die Kargheit der Natur und das Licht an diesem Punkt der Welt zu beschreiben, wo es in dieser Jahreszeit auch Nachts noch taghell ist, entbehrt jeglichen Vokabulars. Deshalb seien an dieser Stelle ein paar Fotos beigefügt:
Eine der spannendsten Stationen bisher war allerdings definitiv Island. Auch wenn ich in Akurery leider wieder, aufgrund von Trainings und Proben nicht raus konnte, so habe ich die zwei Tage Reykjavik dafür um so mehr genossen. Direkt am ersten der beiden Tage, habe ich mich mit Hyli getroffen. Dem ein oder anderen sicherlich bekannt als Hülytopia. Die reisende, vloggende Veganerin aus Berlin habe ich vor gar nicht so langer Zeit im YouTube Space in Berlin kennengelernt. Sie arbeitet derzeit auf einer Farm für organic food in Island und hat sich extra ein Auto geliehen, um nach Reykjavik zu kommen und das ein und andere Bierchen mit mir zu trinken. An dieser Stelle einen Dank an Hyli, es war wirklich ein famoser Abend!
Island ist, anders als man wegen der Lage vermuten würde, dank des Golfstroms auch im Winter nie wirklich kalt. Die Natur, zumindest das bisschen was ich gesehen habe, war wunderschön. Am zweiten Tag gab es eine Exkursion zur weltbekannten blauen Lagune (blue lagoon). Da bei so einer Exkursion natürlich so gut wie jedes Crewmitglied gerne mitfahren möchte, gab es pro Department nur eine begrenzte Anzahl an Teilnehmern. Um es möglichst fair zu halten, hat unser Entertainment Manager die Glücklichen, sechs von 70, ausgelost. Ich war einer der sechs Glücklichen. Die Zeile „…und mein scheiss Glück ist legendär“ aus meinem Song „Ich bin ich“ kommt eben nicht von ungefähr.
Auf der Rückfahrt von der Lagune zum Schiff habe ich dann im Bus das Gerücht aufgeschnappt, dass Peter, einer meiner Schauspiel-Kollegen, aufgrund eines medizinischen Problems nicht an Bord bleiben kann und wir wohl einen neuen Schauspieler bekommen sollen. Das hiesse für uns als Cast, dass alle Proben quasi wieder von vorn anfangen würden. Oh man! Und das gerade in dem Moment, in dem es sich endlich so langsam zu beruhigen schien…
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