Das Frühstück kommt wie erwartet viel zu früh. Habe ich eigentlich erwähnt, dass unser Frühstücksraum im zehnten Stock liegt und man von hier eine wunderbare Sicht über die Altstadt von Hanoi hat? Wir essen und machen uns abfahrbereit.

 

Heute geht es in die Ha Long Bucht, auf eine dreitägige Bootstour, garantiert eines der Highlights in diesem Urlaub. Für den gesamten Trip, inklusive Vollverpflegung (insgesamt sieben Mahlzeiten) und aller Eintrittsgelder haben wir 170$ pro Person bezahlt. Wir sind gespannt was uns geboten wird. Unser Touristenführer Tuán scheint auf jeden Fall schon mal sehr nett zu sein und spricht, anders als der gestrige Guide, gut verständliches Englisch.
Nach zweistündiger Busfahrt machen wir einen kurzen Stop an, oh Wunder, einem Touristenshop. Vielleicht doch noch eine Keramikvase für 2000$? Oder lieber einen steinernen, mannshohen Löwen für den Vorgarten für 7000$? Da ich kann mich nicht entscheiden kann, was fürs Handgepäck beim Heimflug praktischer wäre, lasse ich es lieber ganz sein.

 

Auch auf dieser Busfahrt entrinnen wir bei ein paar Überholmanövern nur knapp dem Tod und ich rufe mir wieder meinen guten Vorsatz ins Gedächtnis: Nicht nach Vorne gucken! Die Fahrt ist zwar nicht weniger ruppig als die gestrige, ganz im Gegenteil, dennoch schlafe ich, ob der partyreichen letzten Nächte ein paar mal ein; Man gewöhnt sich schließlich an alles.

 

Wir erreichen den Hafen und werden sofort zu unserem Schiff geführt. Ein sehr schöner, doppelstöckiger Zweimaster mit großem Sonnendeck mit Liegestühlen. Ich traue meinen Augen nicht, als ich das Schiffsinnere betrete, laut einem Zettel an der Wand gibt es auf dem Boot Free WiFi. Derbe! Ich werde mich wie im Mittelalter fühlen, wenn ich wieder nach Deutschland komme (Verkehr und die Märkte mal ausgenommen).

Wir beziehen unsere gemütliche und wirklich sehr schön hergerichtete Kabine, und gehen wieder Hinauf. It’s Lunchtime!
Damit auch der letzte dämliche Tourist merkt, dass das ja hier nun jetzt romantisch zu sein hat, laufen im Hintergrund 80er und 90er Jahre Popsongs, als klassisches Gitarrengedudel. Bei uns nennt man so etwas glaube ich Fahrstuhlmusik.

 

Wir werden mit Essen quasi überschüttet. Sobald ein Gang fertig ist, wird sofort der nächste aufgetischt. Tomaten und Gurken, Kürbissuppe, Riesengambas, Frittierter Fisch mit Kohl, Schweinefleisch mit Gemüse, gebratenes Hühnchen mit süß, saurer Sauce und Reis und zum Abschluss natürlich noch Nachtisch, frischer Obstsalat. Ich bin dermaßen vollgefressen, dass ich das Gefühl habe, das Boot müsste eigentlich sinken. Während der Völlerei lernen wir ein kleines bisschen unsere Mitfahrer kennen: Ein älteres, aber ungemein fit aussehendes Lehrer-Ehepaar aus Perth, zwei noch ältere, und ein bisschen weniger fit, aber sehr lieb aussehende Damen aus Melbourne und ein schwules mittdreißiger Pärchen aus Kanada. Mit dem Lehrer Ehepaar und den Kanadiern tauschen wir Mail Adressen und Webseiten aus. Wer weiss, wann ich mal nach Kanada komme…

 

Etwa eine halbe Stunde nach dem Mittagessen steht schon der nächste Programmpunkt auf dem Plan: Kanu fahren. Oh Gott, mit meinem vollen Bauch? Na gut okay, ich habe ja eine Schwimmweste an… Wir fahren etwa eine halbe Stunde an einigen Inselchen vorbei, bevor wir zu einer Art Durchgangshöhle kommen.

Kurz nach der Aufnahme dieses Fotos turnten ein halbes Dutzend Affen an den Felsen und auf den hängenden Bäumen entlang. Ein sehr schönes Schauspiel. Unser Guide nannte uns „lucky ones“, denn selbst er, hat bisher auf keiner seiner Touren (und die macht er schon seit über drei Jahren) Affen, so tief unten an den Hängen beobachten können. Auch er starrt fasziniert den Kletterkünstlern hinterher. Auf der Rückfahrt von der Höhle zu unserem Boot tauchte plötzlich hinter einem der Felsen, direkt hinter Rose und Pete, dem australischen Lehrer-Pärchen, ein großes Boot auf. Die beiden ruderten was das Zeug hielt, kamen aber kaum von der Stelle. Das Boot kam immer näher und wich in etwa so aus, wie es Autofahrer in Hanoi City tun: Einfach weiter fahren und hupen. Unsere beiden Lehrer haben sich glücklicherweise dann doch noch aus der Situation befreien können. Unser Guide rief zwar, sie sollen rückwärts rudern, das spornte unsere „grauen Nomaden“ (so werden reisende Rentner in Australien genannt, wie ich von den beiden gelernt habe) aber nur noch mehr an Gas zu geben, und schließlich entkamen sie mit einigen beherzten Paddelschlägen ihrem Unheil.

 

Während wir mit den Kanus ungefähr eineinhalb Kilometer weiter nach Titop Island fuhren, fand unser Boot einen Ankerplatz für die Nacht, nicht weit von der Insel entfernt. Wir legten am künstlich erweiterten, aber nichtsdestoweniger sehr schönen Sandstrand an und entledigten uns unserer unbequemen (und unglaublich hässlichen) Schwimmwesten. Mission erkannt: Ins Meer rennen Teil 2 (Teil eins gab es im Tagebuch vom Jakobsweg).

 

Herrlich warm, aber dennoch kühl genug, um einem bei dem tropisch-heissen Wetter eine Abkühlung zu verschaffen. Nach zehn Minuten wollten Boris und ich aber noch die Zeit nutzen, um den Berg der Insel zu erklimmen und die Aussicht zu geniessen. Von unten, sah es fast so aus, als würde man diese Höhenmeter in der halben Stunde, die uns noch geblieben war gar nicht bewältigen können, doch die Stufen waren zwar viele, aber dafür auch steil. Ich zählte 424 Stück bis zur Aussichtsplattform, Boris kam auf 436, gab aber zu unterwegs statt Stufen wohl auch mal Schritte gezählt zu haben… Nun, die Wahrheit liegt entweder irgendwo in der Mitte, oder ich habe Recht.
Die Aussicht von hier oben über die nahen Buchten und Inseln ist, wenn auch massiv überfüllt von Booten mit Touristen, gigantisch. Hier hilft keine Beschreibung, das muss man gesehen haben:

Kurz nach unserem Abstieg ging es, natürlich wieder per Kanu, zurück auf unser luxuriöses Schiff. An Bord begrüßte man uns mit einem Sundowner, einem sehr schweren aber leckeren Wein auf dem Sonnendeck und liess uns noch Zeit ein wenig anzukommen und uns frisch zu machen. Danach gab es eine original vietnamesische Kochstunde. In kurzen Schritten zeigte uns Tuán wie man Frühlingsrollen, das wohl traditionellste der vielen vietnamesischen Gerichte, zubereitet. Zuhause kenne ich nur die Variante: Packung aufreissen, alles in den Ofen, Ofen an, zwanzig Minuten warten.
Hier mussten wir allerdings vorher noch die Reisblätter anfeuchten, die Menge des Innenlebens bestimmen, es formen, die Rolle vorsichtig falten (der schwierigste Part) und das ganze Gebilde am Schluss mit Eiweiss zusammenkleben. Eine halbe Stunde später gab es dann, neben gefühlt 30 anderen Gängen, unter anderem auch unsere selbst gerollten Frühlingsrollen.

Pappensatt und todmüde begebe ich mich in die Kabine, während Boris sich von unserem Tourguide noch chinesisch Schach beibringen lässt. Die Krux dabei: Das Regelsystem ist nicht nur wesentlich komplexer und zusätzlich komplizierter, das härteste für einen Nicht-Asiaten besteht aber wohl darin die Spielsteine, welche ausschließlich mit chinesischen Schriftzeichen bemalt sind, sobald das Spiel ein fortgeschrittenes Stadium erreicht und die Steine nicht mehr so geordnet liegen, noch auseinander zu halten.

 

Wie auch immer, ich liege derweil in der Kabine, mit Handy im Bett und wollte eigentlich noch ein wenig Blog schreiben, als plötzlich der kleine Mann mit dem Hammer vorbei kommt, mir auf die Augenlieder schlägt und ich, mitsamt Handy in der Hand einfach einschlafe.

 


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Lasst mich Euch auf dieser Seite mit meinem Fernweh anstecken und zu Euren eigenen Abenteuern inspirieren.

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