Mittlerweile ueber 200km weit gelaufen, schreibe ich nun mal, was mir bisher so auf dem Jakobsweg wiederfahren ist.
Ich habe mich fuer den traditionellen, franzoesischen Weg entschieden. Ich startete meine Reise also in Saint Jean Pied de Port, vor den Pyrenaeen.
Erster Tag, Saint Jean Pied de Port –> Roncevalles (Pyrenaeenueberquerung)
Ich startete allein, traf jedoch nach circa 200 Metern schon den jungen Mann, der im Hostel im Hochbett unter mir geschlafen hatte. Man machte sich bekannt (er kam aus der Tschechei) und wanderte los… in die falsche Richtung… das merkten wir allerdings erst nach ca. einem Kilometer…
Naja, besser jetzt als in den Pyrenaeen, dachten wir uns und begannen, nach unserem freiwilligen Kilometer, den Anstieg. Es ging sofort steil bergauf (und das sollte auch so schnell nicht mehr aufhoeren). Nach ca. 2 Stunden und 8km kam dann eine Herberge, wo Peter (der Tscheche) und Danny, ein netter Typ aus Irland, der sich uns auf den ersten Paar Kilometern angeschlossen hatte, erstmal kurz pausierten. Ich goennte mir keine Pause (was sich als dumm herausstellen sollte) und „joggte“ weiter, 12kg auf dem Ruecken und keine Stoecke zum pushen…
Nach ca. 3 weiteren Kilometern traf ich auf ein sehr nettes deutsches Paerchen und wanderte von da an, mit diesen beiden weiter. Je hoeher wir kamen, desto schlechter (und wesentlich kaelter) wurde das Wetter. 1400m bergauf. Ohne jede Pause (nur manchmal eins-zwei Minuten um schnell etwas zu trinken).
Der Regen nahm stetig zu und von einer schoenen Aussicht die uns fuer all die Muehen belohnen wuerde, konnten wir nur traeumen, denn der Nebel lag zu tief ueber dem Berg.
Auf der Haelfte des Weges (nach ca. 15km), waren wir vollkommen durchnaesst und etwas demotivierter als noch zu Anfang, aber wir hielten auch die zweite Etappe, die weiteren 15km mitsamt Abstieg durch.
Mein erstes Wort in meinem kleinen Tagebuch das ich mit mir fuehre ist an diesem Abend folgendes: Schmerzen!
Weder hinhocken, noch aufstehen, noch Treppen laufen funktionierte nach diesem Tag noch. Ich hatte mich vollkommen uebernommen und ueberschaetzt. Typischer Anfaengerfehler.
Das Aufwachen am naechsten Morgen sollte allerdings fuer alle Strapazen entschaedigen. Wir schliefen in einem ehemaligen Moenchshaus, was aus einem einzigen, riesengrossen Raum bestand. Das Licht, in den gigantischen Leuchtern, die von der Decke baumelten, dimmte langsam nach oben und es ertoenten leise Choralgesaenge aus einer kleinen Anlage am anderen Ende des 124 Betten fassenden Raumes. Eine wahnsinns Athmosphaere!
Meine enormen Schmerzen ignorierend, wanderte ich an diesem Tag weitere 21km. Nach einem eineinhalbstuendigen Abstieg, ueber 500 Meter (meine Knie und Sehnen in den Fuessen schrieen bei jedem Schritt laut AUUUUUAAAAA!), waren meine Achillessehnen so ueberanstrengt und meine Knie sowas von wackelig, dass ich beschloss etwas abzukuerzen und (jaja, ich weiss Cheater!) zu trampen. Ich traf spontan auf jemanden (aus Deutschland), der gerade auf ein Taxi wartete und so teilten wir uns jenes kurzerhand und fuhren bis Pamplona, der ersten groesseren Stadt auf unserer Reise. Ich hatte ja noch die Hoffnung, das eventuell ein Gitarrenladen offen haben koennte um mir die heiss begehrte Halbgitarre noch kaufen zu koennen, doch in Pamplona angekommen, stellte sich dies leider als Wunschvorstellung heraus, denn die Gitarrenlaeden schliessen Samstags dort schon um 14Uhr… Schade.
Am naechsten Tag war an weitermarschieren nicht zu denken, ich hatte mich verausgabt. Na toll und das in den ersten 2 Tagen… Ich marschierte 2 weitere Kilometer quer durch die Stadt und erreichte die andere Herberge in Pamplona, mit dem schönen Namen „Paderborn“.
Gefuehrt von 2 absoluten Originalen „Werner und Bernd“.
Diese zwei Typen, waren so grandios, das ich es kaum beschreiben kann. Werner, die Gastfreundlichkeit in Person und Bernd, das personifizierte Wandern. Um diese zwei moeglichst treffend zu beschreiben, muss man in Anekdoten reden:
Ich sass mit zwei deutschen Maedels und einer Amerikanerin unten am Fluss auf der kleinen Terasse unter dem Sonnenschirm als Werner oben am Gartentoerchen erschien. „Hat jemand von Euch noch Waesche im Trockner?“ (kurze Pause) „….Eure Hoesschen sind dann jetzt trocken, die Damen.“.
Bernd setzte sich zum Kaffee zu uns an den Tisch und erzaehlte aus seinem wirklich langen und fundierten Wanderschaftsschatz. Es gab vieeeeeeel fuer uns Anfaenger zu lernen. Und auch so mancher Profi haette beim Hoeren dieser Stories vor Ehrfurcht die Augen aufgerissen. Dieser Mann schien schon ueberall gewesen zu sein…. ueberall zu Fuss selbstverständlich!
Bevor man uns am naechsten Morgen entliess (nach einem Fruehstueck im Kerzenschein, und wehe man fasste selbst eine Kanne ein um sich einzugiessen, man solle sich doch bitte bedienen lassen; was fuer ein grandioses dynamisches Duo!), wurde bei JEDEM(!) Pilger, von Bernd, beim Herausgehen der Rucksack ueberprueft. Wenn dieser nicht gefiel, stellte er ihn kurzerhand neu ein und liess ihn dann neu packen…
Wie schon gesagt: Solltet ihr den Jakobsweg irgendwann einmal gehen und in Pamplona Halt machen, schaut bei diesen beiden unbedingt einmal vorbei, ihr werdet es nicht bereuen!
So sind wir nun schon bei Tag 3 angelangt, meiner Strecke von Pamplona nach Zaraquierui. Ich begnuegte mich fuer den Anfang mit lauen 15km und sollte es nicht bereuen. Bevor ich jedoch startete legte ich mir auf dringendes Raten von Bernd, 2 Wanderstoecke zu (auch bekannt als Nordic-Walking-Sticks) und setzte meinen Weg fortan nur noch Vierbeinig fort (was ich tatsaechlich jedem, der mehr als 10kg auf den Schultern traegt und viel mit Aufs und Abs beschaeftigt ist, nur raten kann). Nach dem grandiosen Fruehstueck begnete ich auf halbem Weg durch Pamplona einem sehr netten Ehepaar von den Phillipinen, denen ich schon in Saint Jean ueber den Weg gelaufen bin und man klagte sich seine Wewehchen. Kaum hatte ich mein Knie und meinen Tag Pause in Pamplona erwaehnt kniete(!) sich der Mann krzerhand vor mich hin, fasste mit der einen Hand an sein Kreuz, mit der anderen an meine Füße und segnete mich… Was fuer ein Moment.
Frisch, innerlich und ausserlich gestaerkt ging es nun wieder auf den Weg.
Die naechsten Tage verliefen „ereignislos“, wenn man so ein Wort auf diesem Weg hier ueberhaupt benutzen kann. Es ist sehr schoen anzusehen, wie sich die Wege der Leute mit denen man startet und die man auf dem Weg so kennenlernt, immer und immer wieder kreuzen. Trifft man sich heute nicht, trifft man sich morgen, oder in zwei, drei Tagen. Das nette deutsche Paerchen habe ich allerdings seit 3 Tagen leider nicht mehr gesehen… Aber ich bin sicher, dass ich sie nicht zum letzten Male gesehen habe…
Der Weg als solcher ist wunderschoen und selbst, wie heute, an einem eher regnerischen Tag, einfach nur zu geniessen. Allerdings hat man auch immer mal wieder Passagen, die einen schier zum Fast-Aufgeben bringen (etwa einen 300m hohen Anstieg aus dem Nichts, der auf keiner Karte verzeichnet zu seien scheint und der einfach nicht mehr enden will…). Man trifft Menschen aus aller Welt (bisher: diverse Staaten der USA, Phillipinen, Kanada, Deutschland, England, Irland, Schweden, Norwegen, Australien, Korea, Japan, Italien, Luxembourg, Spanien, Frankreich… und ich wette ich habe noch einige vergessen…). Die Begegnungen sind Teil dieses Weges und, ich kann es nicht anders ausdruecken als zu sagen: Sie veraendern einen.
Ich ass zu Abend mit einem Koreaner, einer Japanerin, zwei Kanadiern, einem Spanier und einem Italiener am Tisch. Der einzige, der kaum ein Wort englisch Sprach war der lustige Koreaner, der sich allerdings davon nicht abhalten liess uns nach dem Essen lang und breit seine bisherigen Erlebnisse zu berichten… Ich habe noch nie so herzhaft ueber jemanden gelacht, den ich kaum verstanden habe (und das meine ich absolut nicht negativ oder boese!). Fuer das Wort Flugzeug nahm er seine flache Hand, liess sie vom Tisch abheben und und machte ein Geraeusch wie „Whoooooooouuuuuuuuuuaaaaaaaaschhhhhhhh!“ (und der Landeanflug hoerte sich natürlich anders an!). Jetzt habt ihr eine ungefaehre Vorstellung wie sich ein Bericht ueber die letzten Tage, von jemandem, der circa 5 Woerter englisch spricht, anhoert. Gute Nacht sagte allerdings jeder in seiner Sprache und so ging man dazu ueber sich auf den verschiedenen Sprachen das Gute Nacht beizubringen (was zur allgemeinen Erheiterung fuehrte).
Ich kann mich nur noch an das koreanische Erinnern, das ungefaehr so klingt: Anjong, hih, jomischipschui.
Na denn, Gute Nacht!
Bis zum naechsten Blog
P.S.: Ich habe übrigens in Estella (vor circa 50km) endlich eine kleine Gitarre gefunden und werde bald, wenn ich unterwegs jemanden finde der kurz etwas aufnehmen kann, die ersten Kostproben von einigen neuen Songs geben, die auf das (hoffentlich noch) Ende diesen Jahres erscheinende Soloalbum kommen werden.
P.P.S.: Ich freue mich uebrigens immer ueber nette Kommentare, hier und auf Facebook.
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