Gefahrene Kilometer: 480 – Opuwo bis Mount Etjo

 

Gestern Nacht hat es angefangen zu regnen und heute morgen regnet noch immer. Der Himmel ist verhangen, es ist für afrikanische Verhältnisse ganz schön kalt und eine Besserung des Wetters ist nicht in Sicht. Die Regenzeit hat uns nun leider doch voll erwischt. Kurz nach dem (natürlich wieder absolut grandiosen) Frühstück, ruft der General zur Krisensitzung. Alle sind wir uns einig, das Wagnis, nun die nächsten drei Wochen von diesem Wetter begleitet zu werden, möchte niemand von uns eingehen. Wir beschliessen kurzerhand die gesamte Route komplett umzuschmeißen, und rückwärts an unsere eigentlich geplante Tour heran zu gehen. Sprich: Wieder zurück nach Windhoek und von dort aus die gesamte Tour exakt anders herum zu fahren. Nach Windhoek sind es ungefähr 1200km. Wir lassen sämtliche Straßen mit einem C, oder niedriger außen vor und fahren die von hier aus sehr gut zu erreichende B1, die als eine der wenigen Straßen Namibias komplett geteert ist, bis nach Windhoek durch. Das erspart uns matschige, gefährliche, oder gleich gänzlich unpassierbare Passagen und ermöglicht uns bei einem strammen Plan, Windhoek in nur zwei Tagen wieder zu erreichen. Wir wollen also dem schlechten Wetter einfach davon fahren. Hach, wenn das in Deutschland nur genau so einfach wäre…

 

Gesagt, getan. Eingekauft werden muss so nun nicht mehr, da auf dieser Strecke genug Zivilisation existiert. Wir machen uns also sofort auf die Socken. Endlich kann man mal etwas schneller, als 60 fahren. Allerdings ist diese B1 noch langweiliger als die Autobahnen in Deutschland. Höchsttempo 100 und so gut wie kein Verkehr. Horis erschleicht sich ganz nebenbei, trotz absolut ruhiger Fahrt, den Titel des Deppen des Tages. Nach circa zwei Stunden auf dieser angenehmen Straße, bemerkt Team 1, schwarze, undefinierbare Gegenstände, die sich vom voraus fahrenden Fahrzeug (Team 5) ablösen. Die Kolonne hält und man stellt fest, dass Team 5 es tatsächlich auf dieser Luxuspiste geschafft hat, den nächsten Reifen zu Klump zu fahren. Der dritte kaputte Reifen dieser Tour, das dritte Mal ist es Team fünf. 3 zu 0 zu 0 zu 0 zu 0 zu 0 zu 0. Herzlichen Glückwunsch.

 

Der Himmel klart, je weiter wir gen Süden fahren, immer mehr auf und stellenweise haben wir sogar wieder Sonne. Alle sind guter Dinge, der Regenzeit zu trotzen. Doch auf den letzten 50 Kilometern, tauchen plötzlich wieder dicke, schwarze Wolken links von uns auf. Unsere Hoffnung, einfach an dieser Gewitterfront vorbei zu rasen, wird schon zehn Kilometer später zunichte gemacht. Wir müssen für die letzten 40km auf eine Sandpiste wechseln und diese geht leider links von der Straße ab und führt uns genau in das Gewitter hinein. 15min später fahren wir mit den Scheibenwischern auf Voll-Speed durch den prasselnden, afrikanischen Regen. Die Kolonne verlangsamt die Geschwindigkeit drastisch, da die Piste binnen kürzester Zeit matschig-glatt ist.

Es kommt einem vor, als würde man auf Schmierseife fahren. Gott sei Dank haben wir Allrad. Anders wären die sich in sekundenschnelle bildenden tiefen Matschlöcher nicht zu durchqueren. Zu allem Überfluss und unserem großem Erstaunen, fängt es urplötzlich auch noch an murmelgroße Hagelkörner auf unsere Dächer niederzuregnen. Die Soundkulisse im Auto ist mit dem eh schon lauten Regen so laut, dass man sich kaum mehr gegenseitig verstehen kann. Ein Paar Minuten später ist der ganze Spuk, genau so plötzlich wie er kam, vorbei.

Unsere heutige Übernachtungsmöglichkeit ist eine Safari Lodge. Auf dem gesamten Gelände der Lodge springen Blessböcke, Oryxe, Flusspferde und andere heimische Tiere munter und frei durch die Gegend. Die Löwen allerdings befinden sich glücklicherweise in einem seperaten Gelände der Anlage. Puh. Allerdings verspricht uns Gisbert für Abends wieder eine kleine Überraschung. Das Abendessen ist der Hammer. In der Atmosphäre eines Rundhauses mit einer Feuerstelle in der Mitte, werden die heissen, auf dem offenen Ofen vorgeheizten massiven Eisenplatten, auf einem Holztablett serviert. Blessbockfilet, Oryxkebap und Springbockwurst stehen zur Auswahl. Wir stürzen an den offenen Grill, der die Hütte angenehm aufwärmt und lassen uns die heissen Platten voller Leckereien packen. Jetzt seien wir gut genug gemästet für die Löwenfütterung, scherzt der General. Wow, das also ist die heutige Überraschung. Wir werden eine Löwenfütterung sehen. Nach Tierliebe vorhin auf dem Parkplatz (siehe Bild) nun also die dunkle und grausame Seite der Tierwelt.

 

Als wir den 22 sitzigen Safari-Jeep-Bus besteigen, hat es wieder angefangen zu regnen. Auf dem Weg zum mehrere Hektar großen Gehege der Löwen, setzt zum immer stärker werdenden Regen, nun auch noch ein äußerst ungemütlicher, kalter Wind ein. Na hoffentlich sind die Löwen wetterfest. Wir halten vor einer Palisade aus Bambus und Stacheldraht. Eine eisenbeschlagene Tür wird geöffnet und die Leiter des Toyotas heruntergeklappt. Die ersten Blitze zucken am Himmel. Als wir den schmalen und niedrigen Tunnel zu den Löwen betreten, hallt der Donner hundertfach von den Wänden wieder. Eine absolut gespenstische Atmosphäre. Der enge Gang führt in eine Art L-förmigen Bunker, der mit einer circa 20cm hohen und mit Eisenstangen beschlagenen Guckscharte ausgestattet ist. Wir lassen uns auf einer ledernen Sitzbank nieder. Das Licht wird gelöscht. Die Blitze zucken über den Himmel und tauchen die Savanne dahinter in ein unheimliches Licht. Mit dem nächsten Donnergrollen wird die Flutlichtanlage im Außenbereich eingeschaltet und gibt den Blick frei auf ein angekettetes Giraffenhinterteil. 

Der Köder für die Löwen. Alle sind mucksmäußchenstill und warten. 5 Minuten… 10 Minuten… 15 Minuten. Der Regen ebbt langsam ab. Nach circa 20 Minuten kommen wie aus dem Nichts 2 Löwen um die Ecke des Bunkers geschossen. Niemand von uns 14 Leuten hat auch nur einen Laut vorher vernommen. Ich stelle mir vor, wie wir nachts im Lager sitzen und von diesen majestätischen und unglaublich gefährlich Tieren ohne es zu merken beobachtet werden. Gruselig. Der Löwe und die wesentlich ältere (schwangere?) Löwin stürzen sich auf den Kadaver.

Direkt vor unseren Augen zerfetzen die beiden Könige der Tierwelt das Stück Fleisch wie der Mixer den Frosch. Ein unglaubliche Schauspiel. Wir sind froh, eine massive Wand zwischen uns und den Tieren zu haben. Wir schiessen die Fotos unseres Lebens, aber die Erinnerungen an diese Fütterung wird jedem von uns wohl für immer bleiben. Die Stimmung und die Geräusche kann man leider auf keinem Foto der Welt festhalten. Das Knirschen und Knacken der Knochen, sowie das Schmatzen des Fleisches und der Sehnen geht einem, allein beim wieder daran Denken, durch Mark und Bein. Währenddessen zucken immer wieder Blitze vom Himmel herab und tauchen die Szenerie in noch unheimlicheres Licht. 30 Minuten später ist das ganze Schauspiel vorbei. Die Löwen lassen nur noch ein paar Fetzen des Kadavers übrig.

Die Tiere verschwinden lautlos auf ihren Samtpfoten in die Weite der Savanne und werden schon nach wenigen Metern aus dem Flutlicht heraus unsichtbar.  Das Licht im Inneren des Bunkers wird wieder eingeschaltet. Es ist noch kälter als vorhin und der Regen hat an Intensität auch noch einmal gehörig zugenommen. Auf dem Weg zurück stelle ich mir genau eine Frage: Wie beschissen kalt kann es eigentlich im Hochsommer in Afrika sein?! Das gibts doch nicht. Nass und durchgefroren verschwinden wir alle schnell in unseren Dachzelten und werden vom Grunzen und Schnauben der nahen Flusspferde und dem plätschernden Regen auf unseren Dachzelten, langsam in den Schlaf gewiegt.

 


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