Marc und ich stehen mit unserem bunten, selbst gemalten Tramper-Schild an der Straße und halten die Daumen in den hier unten nie aufhörenden Wind. Wir stehen noch keine zwei Minuten, da hält auch schon das erste Auto an und nimmt uns beide mit. Ob das wohl an unserem schönen Schild liegt…?
Leider fährt der ältere Herr nur in ein circa 80 Kilometer entferntes Dorf, aber hey, wir sind gestartet und haben schon in den ersten Stunden mehr Strecke geschafft, als wir an zwei Tagen zu Fuß hätten zurücklegen können.
Ich weiss nicht, ob wir einfach so vertrauenserweckend aussehen, ob es hier normal ist, oder ob wir einfach wahnsinniges Glück haben, aber schon kurz nachdem wir aus dem ersten Auto ausgestiegen sind, hält erneut eines der ersten Autos an, dass wir sehen. Unser Fahrer ist dieses Mal ein netter, sehr viel jüngerer Argentinier, der uns die ganze Zeit über Geschichten über sein Land erzählt und uns nach den unseren ausfragt. Marc erzählt von Brasilien und übersetzt mir einige der spanischen Fragen die ich nicht verstehe. Ich stelle allerdings fest, dass ich mittlerweile doch schon einiges verstehen und mir dadurch viele Schlüsse selbst zusammenreimen kann. Mein Spanisch mausert sich also doch, obwohl es mir beim Sprechen oft nicht so vor kommt. Mir fehlen zu viele Worte und ich kann keine anderen Zeiten als die Gegenwart. Oft werde ich aber auch so, wohl nicht zuletzt auch aufgrund meiner – nun, nennen wir es – „offensive Gestik“ verstanden. Dran bleiben.
Josepe, unser Fahrer, erklärt, dass er uns ein bisschen weiter stadtauswärts fährt, um uns an einem für Tramper geeigneten Platz aussteigen zu lassen. Wegen der Speed-Bumps, kleinen, künstlichen Hügeln auf der Straße, können die Autos hier nur sehr langsam fahren. Perfekt für uns.
Als wir unsere Rucksäcke ausladen (Die wohl meistgestellte Frage „Welchen Rucksack benutzt du?“ wird in diesem Affiliate-Link geklärt), lädt unser Fahrer uns ein mit ihm zusammen für die weitere Reise noch ein Gebet zu sprechen. Wie wir schon in den Gesprächen auf der Fahrt heraus hören konnten, ist er sehr gläubig. Wir zwar beide nicht, aber es abzuschlagen wäre, nachdem er uns mehrere Stunden in seinem Auto mitgenommen hat, einfach unhöflich. Wer weiss, ob das Universum vielleicht doch manchmal zuhört.
Danach besteht er noch darauf mit uns zusammen ein Bild zu machen. Danke fürs Mitnehmen, Josepe!
Leider haben wir hier in Rio Grande, trotz des super Platzes, nicht so viel Glück wie vorher und so stehen wir uns mehrere Stunden lang die Beine in den Bauch. Nun ja, immerhin weiss ich nun, dass wir wohl bisher einfach Glück hatten. Immer wieder regnet es. Zusammen mit dem immerfort währenden Wind ist man schnell durchgekühlt. Und zum zweiten Male in kurzer Zeit entpuppt sich meine Windbreaker/Regenjacke als eine der besten Investitionen vor der Reise. Apropos Wind: Als ich das zweite Mal an diesem Tage Motorradfahrer sehe, die einem aufgrund des starken Windes in 45° Schräglage mit ihren vollbepackten Motorrädern entgegenkommen, denke ich, dass es für einen Motorradanfänger wie mich, vielleicht doch eine ganz gute Idee war mir kein Motorrad zu kaufen.
Trotz der Kälte und des Regens kann ich nicht anders, als diese Landschaft zu bewundern. Es ist einfach so wunderschön hier unten. Ich kann sehr gut verstehen, dass Patagonien und gerade Feuerland die Phantasie und die Mystik in einem weckt. Vor meiner Reise habe ich das Kultbuch „In Patagonien – Reise in ein fernes Land“ vom Entdecker Bruce Chatwin gelesen und jetzt, hier vor Ort, kann man seine Beschreibungen der Landschaft gut nachvollziehen.
Dieses Mal stehen wir erheblich länger an der Straße. Unser Tramper-Glück haben wir wohl heute Morgen mit den ersten beiden Speed-Treffern verbraucht. Als es beginnt zu dämmern und immer noch keine Mitfahrgelegenheit in Aussicht ist, beschließen wir in Rio Grande ein Hostel zu suchen und morgen früh erneut unser Glück zu versuchen. Dank Smartphone und Booking.com ist schnell ein Hostel gefunden. Beim Betreten der Zimmer allerdings hätten wir uns gewünscht, vielleicht doch lieber ein bisschen länger gesucht zu haben. Was für eine unglaubliche Absteige! Die Betten sind dermaßen durchgelegen, dass Marco beschließt mit seinem Schlafsack auf dem Boden zu schlafen und ich behelfe mir damit drei Matratzen aus anderen Betten über meine zu stapeln, um wenigstens halbwegs weich zu liegen. Die Wände des Hostels sind ein Traum. Also: Wenn man die Augen schließt ist es, als würde man sie nur träumen, denn man hört einfach alles. Das gilt leider auch für die sechsköpfige Familie mit vier, sehr lauten, kleinen Kindern nebenan. Die Eltern gucken noch bis weit in den Morgen hinein laut Fernsehen, was die Kinder dementsprechend wach hält und damit auch uns.
So viel zu unserem Tramper-Glück…
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