Wir haben Anfang August und es ist immer noch kein Alltag für uns eingekehrt. Eine unserer Tänzerinnen hat sich den Knöchel verstaucht und musste für vier Wochen von Bord gehen. Sie wird durch eine Kollegin aus unserer vorigen Cast ersetzt, die zufällig gerade als Family-Travel (Besuch bei ihrem Freund) an Bord war. Für die Tänzer wie für uns heisst das natürlich wieder: Neue Proben. Auch das Gerücht aus dem letzten Blog-Beitrag hat sich leider nur einen Tag später bestätigt:
Peter, unser Schauspiel-Kollege und Regisseur von zwei Stücken, musste aufgrund eines medizinischen Problems ebenfalls das Schiff verlassen. Die letzten drei Wochen hatten wir also wieder Proben mit einem neuen Kollegen. Dieser hat allerdings, noch bevor eine einzige Premiere mit ihm stattfand, schon das Handtuch geworfen und den Platz erneut freigegeben. Also alles wieder auf Anfang und noch mehr Proben.
Seit ein paar Tagen ist Pascal, unser neuer Kollege an Bord und entpuppte sich – Gott/Kant sei Dank – schon bei der ersten Probe als absoluter Volltreffer. Ganz im Gegensatz zum Zwischendurch-Kollegen, konnte Pascal nicht nur sämtliche Texte schon auswendig als er an Bord kam, nein, er war auch sonst bestens vorbereitet und hat sich im Vorfeld auch schon einige Gedanken zu seinen Figuren gemacht. Auch das Schiffsleben kannte er zum Glück schon, denn er war vorher schon einmal auf einem TUI-Schiff unterwegs .
Wir konnten also in den Proben direkt in die Vollen gehen. Es ist also jetzt tatsächlich endlich(!) ein Ende der Proben für uns in Sicht und der gewöhnliche Schauspiel-Schiffs-Alltag mit einem Durchlauf und einer Show pro Tag rückt in greifbare Nähe. Nach mittlerweile zwei Monaten an Bord ist das so langsam aber auch bitter nötig. Denn auch die Situation mit unserem Management ist derzeit, nicht zuletzt aufgrund dieser vielen Proben, sehr angespannt. Es werden zusätzliche Gesangs-Proben gelegt, obwohl die Kollegen um die es geht krank sind und besser gerade gar nicht singen sollten. Es werden Abendshows mit kranken Kollegen gesetzt, obwohl man diese einfach durch andere Shows mit gesunden Kollegen ersetzen könnte. Es wurde ein Premiere-Datum für eine eigentlich optionale Show angesetzt, ohne dass die Cast auch nur gefragt wurde…
Kurzum: Die Nerven liegen so langsam bei der gesamten Cast wirklich blank und ich habe mehrere Kollegen, die derzeit überlegen frühzeitig von Bord zu gehen und den Vertrag zu beenden, sollte sich diese Situation nicht in absehbarer Zeit entspannen. Was für uns anderen… na, ihr wisst schon…
Kommen wir lieber zu erfreulicheren Themen:
Ich habe im letzten Post ja schon von Crew-Welfare berichtet. Eine kleine Gruppe Leute aus der Besatzung, die für die Crew Exkursionen, Partys, Events und Sportturniere organisiert. In der Annahme, dass wir ja nach dem ersten Monat sehr viel weniger zu tun haben werden, haben sowohl Emrah (der Kollege mit dem Wal-Foto, siehe frühere Posts) als auch Marilia, eine der Sängerinnen und ich, uns bei Crew Welfare für die leitenden Positionen, Präsident (Emrah), Vize-Präsidenten (Marilia und ich) eingetragen. Das diese Annahme leider mehr als falsch war stellte sich allerdings erst in den folgenden Wochen heraus… Tja nun habe ich derzeit zusätzlich zu all den Proben und Shows auch noch die Aufgaben von Crew-Welfare.
Ich plane und organisiere Burger-oder Sushi Abende, Exkursionen, Bus-Transfers, Partys, Kino, Bingo, Workshops, Sauna-Zeiten, und alles mögliche andere, was meine Schiffskameraden bei Laune hält. Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Aufgaben und auch darauf, ob wir das alles wirklich unter einen Hut bekommen.
Es kann sogar sein, dass ich bald noch eine bzw. zwei weitere Aufgaben/Shows bekomme, denn die Anfrage für meinen CD Verkauf an Bord ist endlich in Bearbeitung. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ich meine CDs an Bord verkaufen darf, werde ich unsere Gäste in Zukunft auch mit einem, oder gar beiden beiden Soloprogrammen (Mittelalter / Singer-Songwriter) unterhalten. Ich habe meine Gitarre ja nicht ohne Grund eingepackt…
Meine Eltern, die für 12 Tage als Gäste mit an Bord waren (als Gäste eines Crew-Mitgliedes bekommt man einen wirklich sehr fairen Rabatt), fanden ihren Urlaub auf dem Schiff sehr gut. So gut, dass sie gerne hätten, dass ich auch weiterhin bei TUI-Cruises arbeite, damit sie mich hier besuchen kommen können. Na klasse, da hab ich ja was angerichtet.
Aufgrund der Krankheit eines Sängers (wir haben derzeit viele Krankheitsfälle gleichzeitig) kam die Anfrage, ob ich nicht, trotz der noch laufenden Bearbeitung was den Verkauf der CDs angeht, schon mal eines meiner Soloprogramme vorab präsentieren könne. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass meine Eltern just zu dieser Zeit mit an Bord waren, habe ich diesen Gefallen selbstverständlich gerne erfüllt. Wie sich herausstellte eine gute Wahl, denn:
Zur selben Zeit war der oberste Leiter der Entertainment Abteilung von TUI an Bord und hat sich, ebenfalls mitsamt seiner Familie, meine Solo-Show zu meiner CD „Fernweh“ angeschaut. Zwei Tage später war die Frage des CD Verkaufes geklärt. Derzeit warte ich also nur noch auf die Shop-Nummern, damit der Verkauf an Bord vernünftig abgerechnet werden kann.
Auch wenn das natürlich nun noch mehr Arbeit für mich bedeutet, freue ich mich sehr auf die zusätzliche Aufgabe, da ich nun neben dem Schauspiel, meiner eigentlichen Aufgabe an Bord, den Gästen noch meine Musik präsentieren und damit weiter bekannt machen kann. Außerdem freue ich mich darauf, meine Songs mal wieder vor Publikum zu spielen.
Apropos eigentliche Aufgabe:
Da ich Peter, der bei einer der Produktionen gleichzeitig Regisseur und Schauspieler war, bis zur Premiere unserer Musicalshow vertreten habe, hatte ich quasi eine ganze Zeit ein Stück mehr als alle anderen. Jetzt, mit Pascal an Bord hat sich das allerdings als Glücksfall herausgestellt, denn so konnte ich die eigentlich für mich angesetzte Lesung „Wilde Welle“, eine Lesung über Unwetter auf See, mit eben jener großen Musical-Show im Theater kurzerhand tauschen. Das wiederum heisst für mich zwar eine zusätzliche Probe vor jeder Musical-Gala, dafür aber auch an Seetagen so gut wie nie zwei Shows an einem Tag (außer eventuell zusammen mit meinem eigenen Solo).
Es ist ja bekannt, dass ich mich gerne mit vielen Aufgaben gleichzeitig zumülle (siehe oben). Oder eben:
Musik machen, Blog schreiben, Fotos schießen, Videos aufnehmen und schneiden, Let’s Plays spielen, eigenes Musiklabel führen, Crowdfunding-Managament, Improvisationstheater, Spiele-Synchronisation…
Deshalb habe ich auch sofort zugesagt, als mich die lieben Kollegen vom Kids-Club gefragt haben, ob ich nicht beim Abschiedsabend am „Lagerfeuer“ für die Kids ein paar Songs spielen möchte. Es war wirklich süß inmitten von knapp 50 Kindern um ein paar elektronische Kerzen zu sitzen (Safety first) und mit allen zusammen „Die nack… Verzeihung, Die ‚kleine‘ Elfe“ zu singen.
Meine YouTube Videos müssen natürlich ebenfalls irgendwie weiter laufen, auch wenn die Internet-Situation an Bord diese Aufgabe erheblich erschwert. Ich habe es in Tallin trotzdem geschafft mir morgens früh einen Wecker zu stellen, einen Song aufzunehmen, und diesen noch vor allen Proben mit meinem Laptop in einem Café mit WLAN an Land hochzuladen. Das Ergebnis findet ihr hier:
Trotz der ganzen Aufgaben derzeit komme ich endlich auch immer mal wieder an die frische Luft. Das ist natürlich doppelt schön, da ich so auch des Öfteren mit meinen Eltern zusammen, als diese an Bord waren, die Gelegenheit hatte etwas zu unternehmen. Die Länder und Städte in denen wir gerade unterwegs sind, Stockholm, Visby (Schweden) von wo die Fotos dieses Blogs stammen), Tallin (Lettland), St. Petersburg (Russland), Gdynia (Polen), Helsinki (Finnland), Kopenhagen (Dänemark), sind sehr abwechslungsreich und spannend, auch wenn das Wetter oft besser sein könnte. Aufgrund der Geschwindigkeit allerdings, in der man diese ganzen Orte „bereist“, wirft man sehr schnell vieles durcheinander und hat manchmal schon nach wenigen Tagen vergessen, wie die letzte Stadt aussah, oder wo man eigentlich war. Und egal wie gut man sich vorbereitet und wie viel man sich in den einzelnen Städten auch anschaut, kratzt man doch immer nur an der Oberfläche dessen, was möglich ist. Wirklich in Kontakt mit Locals, oder der Kultur kommt man nicht. Ich persönlich finde es da deutlich spannender, nur mit dem Rucksack auf dem Rücken, wirklich Zeit in einer Gegend zu verbringen. Aber jedem das Seine und gerade für ältere Leute ist diese Art zu Reisen natürlich perfekt.
Außerdem bin ich ja auch nicht zum Urlaub machen, sondern zum Arbeiten hier und es gibt definitiv deutlich langweiligere Arbeitsplätze. Es ist einfach ein sehr luxuriöser „Nebeneffekt“, sich quasi während der Arbeitszeit noch das ein und andere fremde Land anschauen zu können und einen ersten Eindruck zu bekommen, ob man hier eventuell einmal mehr Zeit verbringen möchte.
Ich bin gespannt, ob sich die Situation mit unseren vielen Krankheitsfällen und die angespannte Lage mit dem Management bald beruhigt und so langsam endlich mal so etwas wie Alltag für uns als Cast einkehrt.
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