Gestern war mein 33. Geburtstag und zack, schon ist die Hälfte meines Vertrages auf See geschafft. Unfassbar, wie schnell hier Zeit die vergeht!
Was unter anderem auch daran liegen mag, dass für uns als Cast immer noch kein Alltag eingekehrt ist. Einer unserer Sänger ist von einem auf den anderen Tag krank geworden (siehe letzter Blog-Beitrag) und musste nun, nach mehreren Aufenthalten im Krankenhaus in Kiel, als die Ärzte endlich herausgefunden hatten woher die Symptome kamen, das Schiff verlassen. Die Ansteckungsgefahr für den Rest der Crew war zu hoch. Erneut müssen also Choreografien und teils ganze Shows, die wir extra für besagten Sänger schon einmal umgebaut haben, damit er zum Beispiel mit einem Rollstuhl auf die Bühne konnte, noch einmal umgestaltet werden, um den Sänger nun vollständig zu ersetzen. Ich habe mich bereit erklärt, einen der Songs des Sängers in der Musical-Gala zu übernehmen (in der ich ja eigentlich gar nicht mitspielen würde – ebenfalls siehe letzter Blogeintrag). Mein erster Auftritt als Sänger auf der großen Theaterbühne. Yeah! Öfter mal was Neues. Wird ja sonst auch langweilig, gell?

Wo wir gerade bei neuen Aufgaben sind:
Am Tag als meine Eltern abgestiegen sind, habe ich das erste Mal mit am Check-In helfen müssen. Neben seinen eigentlichen Aufgaben an Bord gibt es immer auch die sogenannten „Side-Duties“. Kleine Nebenaufgaben, die alle Leute der Crew ausführen müssen. Gestern: Drei Stunden lang Gäste begrüßen, Ausweise scannen, Fotos für die Bordkarte machen, Daten checken, Kreditkarten einlesen, Kabinenkarten herausgeben und auf die Seenotrettungsübung hinweisen. Obwohl der Ablauf immer der Gleich ist, hat man so viele unterschiedliche und kleine Gespräche, dass die Zeit schnell vergeht und die Arbeit nicht so schnell langweilig wird.

 

Kurze Fun-Story: Die ersten Gäste, die bei mir am Schalter einchecken, reichen mir eine Kreditkarte von der Kreissparkasse Ahrweiler. Angesprochen auf den doch recht kleinen Landkreis stellt sich heraus, dass die Gäste aus dem Nachbarort kommen, in dem ich aufgewachsen bin. Was für ein lustiger Zufall.

Auf der derzeitigen Ostsee und Baltikum-Tour haben wir endlich mal richtig Glück mit dem Wetter und konnten sowohl St. Petersburg, als auch Stockholm in strahlendem Sonnenschein genießen. Es ist zwar nicht wirklich warm, aber die Sonne tut trotzdem gut nach dem ganzen Grau der letzten Wochen. Die nächste Fahrt geht noch einmal in den Norden, dann folgt noch einmal Russland, wiederum gefolgt von der letzten Nordtour. Danach geht es dann endlich, endlich, endlich in wärmere Gefilde. Strand. Sonne. Meer. Ich kann es wirklich kaum noch erwarten.

In zwei Wochen kommen außerdem, im ganz normalen Turnus des Schiffes, zwei neue direkte Vorgesetzte an Bord. Wir hoffen alle, dass sich damit die angespannte Situation mit dem Management auch endlich löst und wir uns endlich auf das konzentrieren können, weswegen wir eigentlich alle an Bord sind: Gute Shows auf die Bühne zu bringen und die Gäste bestmöglich zu unterhalten.

 

In Stockholm finde ich im Gewirr der wunderschönen kleinen Straßen der Altstadt den Weg in einen riesigen Rollenspielladen. Zwei Stunden und 120€ später finde ich auch wieder den Weg hinaus. Ich hasse solche Läden!
Aber im Ernst: Ich habe selten einen so großen und vor allem so gut sortierten Laden gesehen. Merch-Artikel von Filmen und Computerspielen, eine riesige Roman und Manga-Abteilung, ein komplettes Stockwerk für Cardboard- und Rollenspiele, Tabletops und Sammelkarten bis hin zu einem Raum, in dem der ganze Kram auch ausprobiert werden kann, lässt der Laden definitiv Nerdherzen höher schlagen.

Aber zurück zu meinem Leben auf See:
Peter, der zwar nicht mehr als Schauspielkollege, aber immer noch für die Regie zweier Stücke an Bord ist, muss in Kiel vorerst absteigen, um dann von Kiel über England nach Bergen zu fliegen, mitsamt Aufenthalt in zwei verschiedenen Hotels, um dann zwei Tage später wieder an Bord kommen zu dürfen. Logisch ist das zwar nicht, aber die Sicherheitsrichtlinien an Bord sind nun mal sehr streng und werden, wie man sehen kann, sehr ernst genommen.
Da die (ob des neuen Kollegen erneute) Premiere von „Wunderland“ in neuer Besetzung vor uns liegt, hat mich Peter kurzerhand gefragt, ob ich nicht in seiner Abwesenheit die Regiearbeit übernehmen und das Stück mit Pascal einstudieren könne. Dank meiner Hauptrolle kenne ich das Stück ja mittlerweile eh besser als sonst jemand… Tja, wie war das noch mit „öfter mal was Neues“?

 

Ich versuche übrigens schon seit zwei Tagen Fotos auf Facebook hochzuladen. Auf dem Wasser ist das Internet wirklich mehr als Bescheiden… So acht bis neun Fotos schaffe ich… pro Stunde…
Also lieber Warten und an Land mal wieder ein schönes Café mit WLAN suchen.
Ich habe mir in Bergen extra den Wecker gestellt um früh an Land zu gehen. Eine gute Entscheidung, denn auf meinem Weg nach draußen entdecke ich Micha, einen unserer Bikeguides, mit einer Gruppe Passagiere vor dem Schiff an den Fahrrädern stehen. Auf meine (Spaß-)Frage hin, ob noch ein Fahrrad zu haben sei, sagt er nur: Klar, er könne sowieso bei so einer großen Gruppe einen Hintermann gebrauchen. Fahrradguide? Check!


Helm geholt und ab aufs Fahrrad. Gestatten, Regiesseur, Schauspieler, Sänger, Check-In-Mann, Crew-Welfare Vizepräsident und Bike Guide Sören.

Die Biketour dauert circa drei Stunden und führt durch winzige Sträßchen und viele Hügel einmal quer durch die Stadt und danach von außen komplett daran vorbei. Super schön!

Wie gerufen kommt da am Abend die von uns, dem neuen Crew-Welfare-Team, organisierte Burger Night. Ich habe vor zwei Tagen in Kiel noch ganz viel Dekorationen eingekauft und unseren Kids-Club damit beauftragt, mit den Kindern große Burger aus Pappe für uns zu bauen. Delegieren heisst das Zauberwort. 

Während wir aufbauen und gerade damit beschäftigt sind die ganzen großen Pali-Tücher und Seidenstoffbahnen an die Wände und Decke zu kleben, kommt plötzlich eine aufgeregte Meute aus der Küche auf mich zu und redet wild auf mich ein. Nachdem ich die aufgebrachten Köche etwas beruhigt habe, bekomme ich endlich den Grund für die Aufregung genannt:
Eines der Pali-Tücher zeigt eine hinduistische Gottheit und darf daher nur an einem ganz speziellen Feiertag im Jahr aufgehangen werden. Die Hindus fühlen sich durch dieses Tuch beleidigt und möchten, dass es abgenommen wird. Ich nehme da Tuch selbstverständlich wieder ab und verstaue es so, dass es garantiert auch bei den nächsten Feiern nicht mehr aufgehangen wird. Es ist wirklich lehrreich, auf was man hier alles achten muss. Selbst bei einem, erst einmal einfach anmutenden, Burger-Essen. Und es erstaunt mich einmal mehr, dass eine so große Anzahl an Menschen aus so vielen unterschiedlichen Kulturen und Religionen auf so engem Raum so friedlich zusammen leben/arbeiten kann.

Am Tag nach Bergen fahren wir erneut in den Geiranger Fjord. Da ich bisher, aufgrund der ganzen Proben, noch nicht viel vom Fjord selbst gesehen habe, beschließe ich eine ausgedehnte Wanderung zu unternehmen. Ich genieße die Luft, die Aussicht, das Laufen und bekomme, trotz der anstehenden Show am Abend ein bisschen den Kopf frei – ja, ich vergesse sogar kurzzeitig, dass ich gerade auf einem Kreuzfahrtschiff arbeite.


Der Wald riecht nach Moos und nasser Erde, meine Schritte werden, nicht nur weil es beständig bergauf geht, immer ruhiger und die Aussichten von hier oben sind wirklich gigantisch. Was für ein wunderschönes Fleckchen Erde. Irgendwie scheint dieses Stahlmonstrum da unten im Fjord hier völlig fehl am Platze. Aber es ist natürlich für viele Menschen der bequemste und manchmal auch der einzige Weg, sich dieses Wunder der Natur überhaupt anschauen zu können.

Heute Morgen hatten wir mit Pascal die Premiere unseres Theaterstückes „Butterbrot“. Ein sehr kurzweiliges Stück über eine Drei-Männer-WG, die sich darüber austauscht, ob man mit Frauen zusammenleben kann oder nicht. Auszug gefällig?

 

„Ich führe ruhige Gespräche mit meiner Frau, die ihr zeigen sollen, was ich denke und die mir zeigen sollen, was sie denkt. Und was ist das Ergebnis? Sie denkt nicht! Sie tarnt sich mit denkähnlichen Äußerungen, damit ich denke sie sei ein Mensch. Aber Frauen sind keine Menschen! Frauen sind noch nicht einmal Tiere! Ein Tier erkenne ich ja schon von weitem, da weiss ich, aha, guck mal, ein Tier. Aber Frauen sind menschenählich und das ist das Teuflische. Teufelsfallen für uns Männer, die wir auf der Suche nach menschlichen Beziehungen sind.“

 

Die Premiere heute morgen, war genau so grandios wie meine kleine Geburtstagsparty gestern Nacht in der Crewbar. Ich habe mich nämlich vorrausschauenderweise für den 13.8 als DJ eingetragen. Mein Geburstag wurde also begleitet von System of a Down, Disturbed, Tool & Co. Meine zwei für das Entertainment-Team gesponserten Paletten Dosen-Becks taten ihr übriges.

Rock’n’Roll!

 


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