Wir sind nun seit über zwei Monaten an Bord, haben fast September und stehen kurz vor unserer vor(!)letzten Show-Premiere. Der Poolspot „Nordwind“, mit sehr aufwändigen Kostümen und Songs aus Disneyfilmen wurde aus Gründen, die keiner von uns nachvollziehen konnte (unter anderem einer fehlenden Hakenhand… ja, ist klar) immer und immer wieder verschoben. Nun, nach zweieinhalb Monaten auf See hat das kurze Stück unserer Sänger und Tänzer auf der letzten Fahrt in den Norden dann doch noch Premiere und wurde immerhin ein mal gespielt, denn danach, im Süden, wird der Poolspot wohl kaum mehr aufgeführt werden. Diese Logik ist manchmal schwer zu verkraften.
Seit ein paar Wochen ist nun auch endlich ein neues Management an Bord, mit dem die gesamte Cast sehr viel besser klar kommt und die sich vor allem für uns und die Shows interessieren und noch viel wichtiger: Vernünftig mit uns reden.
Die Spannungen legen sich so langsam und wir können uns endlich auf unsere eigentliche Arbeit fokussieren. Wir haben als Cast, also Sänger, Tänzer, Akrobaten und Schauspieler, von Anfang an super zusammen gearbeitet und haben alle sehr guten Kontakt miteinander. Das ist, wie mir von vielen erzählt wurde die schon mehrere Verträge gefahren haben und teilweise seit Jahren dabei sind, absolut nicht immer so. Wir gehen viel zusammen raus, treffen uns zu Spieleabenden, trinken zusammen in der Crewbar, oder helfen uns gegenseitig in den Shows. Kurzum: Ich mag die Leute, die hier mit mir zusammen spielen sehr gern.
Zu unserer letzten Tour in den Osten, hat mich eine Freundin aus Berlin an Bord besucht. Unsere 21 Tage Family-Travel, die wir für Besuche von Familie und Freunde haben, sind wirklich Gold wert. Es ist schön jemanden dabei zu haben und Zeit miteinander verbringen zu können, obwohl man ja eigentlich die ganze Zeit arbeitet. Trotz der unglaublich günstigen Konditionen, haben die Crew-Besucher nämlich Gäste-Status. Sprich 24/7 Essen und Trinken was das Herz begehrt. Wenn man vorher die richtigen Anträge stellt, hat man davon tatsächlich auch selbst etwas, denn oft darf man, meist mit Einschränkungen, mit dem Besuch zusammen essen gehen und muss nicht unbedingt in die Crew-Kantine. Auch wenn ich mich über das Essen dort nicht beschweren will, so ist das Essen im Gästebereich doch noch ein gänzlich anderes Niveau.
In St. Petersburg habe ich meine aller erste von Mein Schiff geführte Tour gebucht und mitgemacht. Das Problem ist nämlich Folgendes:
Ich als Crewmitglied, darf mit meinem Reisepass (den ich mir zwei Tage vorher abholen muss, da er an Bord ja eingezogen wird), einfach an Land gehen und den Crew-Shuttle-Bus in die Stadt nehmen. Gäste des Schiffes, so mein Family-Travel derzeit, dürfen ausschließlich bei gebuchten Touren und nur für die Dauer der Tour überhaupt „einwandern“. Die Passkontrolle der Russen ist unfassbar langsam. Es kommt einem wirklich so vor, als haben die Angestellten absolut kein Interesse an den Touristen, die Geld in die Stadt spülen könnten. Sie wirken genervt und sehen so aus, als würden sie am liebsten jeden entweder zurück schicken, oder am besten direkt in den russischen Knast abschieben.
Nach einer guten halben Stunde Passkontrolle (Hallo, beeilt euch, unser Bus wartet!), durften wir dann aber doch beide unsere unwürdigen, deutschen Füße auf den heiligen Boden von Mütterchen Russland stellen.
Zuerst ging es in den Jussupow-Palast, dessen Familiengeschichte mit der Ermordung um Rasputin, sehr interessant war, auch, wenn man leider bei solchen schnellen Führungen immer nur ein Zehntel von dem behalten kann, was der Fremdenführer, in diesem Falle eine sehr nette Fremdenführerin, so sagt. Danach ging es dann bei absolutem Bombenwetter (T-Shirt Ende August!), zu einer zweistündigen Kanalfahrt quer durch die Stadt. St. Petersburg. Vom Wasser aus gesehen ist die Stadt ebenfalls ein Erlebnis, dass ich jedem ans Herz legen möchte, der hierher reist. Man muss zwar extrem Glück mit dem Wetter haben, denn es vergeht kaum ein Tag hier, an dem es nicht regnet, aber wenn man den richtigen Moment abpasst, dann hat man sehr schöne Aussichten auf diese wahnsinnig interessante Stadt.
Tallin und St. Petersburg waren für mich übrigens in doppelter Hinsicht ein Erlebnis, denn ich war in beiden Städten schon einmal gewesen. Meine Studienfahrt 2013, kurz vor meinem Abitur, hat mich neben Danzig, Vilnius, Riga und Moskau, vor 14 Jahren auch nach Tallin und St. Petersburg geführt. Auch wenn ich mich natürlich nicht mehr ganz taufrisch an diese Fahrt erinnern kann, habe ich doch einiges noch im Kopf gehabt, was jetzt mittlerweile allerdings völlig anders war. Damals quillten die Unterführungen der U-Bahnen und kleine Geschäfte in der Stadt über von (hervorragenden) Schwarzmarkt-Stores, in denen man jede erdenkliche CD der Welt, jeden Film und jedes Computerspiel für circa 1-2€/Stück kaufen konnte. Diese Läden existieren nicht mehr. Zumindest nicht dort, wo man sie als Tourist finden könnte. Stattdessen sind diese Minibuden nun bis oben hin vollgestopft von billigen, technischen Gimmicks und noch billigeren Souvenirs.
Schade, also keine illegalen,günstigen CDs von Das Niveau…
Nach dem bisher besten Krimidinner, sowohl von uns, als auch vom Mitspielen der Gäste (unser englischer Ingenieur hat die ganze Zeit mit einem breiten englischen Akzent gesprochen, Thelma Thisthlewaith hat gelispelt und unser Dr. Sander ist wild mit der Brechstange fuchtelnd durchs Restaurant gelaufen), gab es in Helsinki endlich mal wieder eine Saunanacht für uns Crew. Dieses Mal war sogar die Sauna vernünftig heiß und wir konnten den Abend richtig schön schwitzen. Zum krönenden Abschluss der kleinen Reise haben mein Besuch und ich uns am letzten Seetag ein Essen in unserem exklusiven Bordrestaurant Surf&Turf gegönnt. Ich hatte ein 350g Bison Steak mit Speckbohnen und Kräterbutter-Kartoffeln. Das aller erste Mal in meinem bisherigen Leben, habe ich das gesamte Fett am Steak mitgegessen, weil es so zart war, dass es bei leichtem Druck mit der Gabel komplett flüssig geworden und über den Teller gelaufen ist. Das letzte Mal, dass ich so von einem Stück Fleisch fasziniert wurde, war wohl in Afrika. Oh mein Gott, war das lecker. Solltet ihr jemals auf einer Mein Schiff mitfahren: Esst ein Bison-Steak im Surf & Turf. Das ist kein Ratschlag, sondern ein Befehl!
Ein weiteres Highlight der Reise kam dann ganz am Ende noch gänzlich unerwartet. Der Shuttle-Bus vom Terminal zum Hauptbahnhof in Kiel dauert ungefähr fünf Minuten. Kaum schlossen sich die Türen des Busses, stellte sich der schon etwas ältere Fahrer als unser Chauffeur Alfred vor und fing sofort beherzt und mit sonorer Stimme an uns die Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten seiner Stadt vorzustellen. Mit locker, ironischer plattdeutsch-Schnauze wurden uns die guten alten Zeiten des Rotlicht-Milieus näher gebracht, wir haben erfahren warum die Kieler Sprotten so heissen wie sie heissen, obwohl sie mitnichten aus Kiel kommen und was es mit dem uralten Segelschiff im Hafen auf sich hat. Ihr lieben berliner Busfahrer, schneidet Euch doch von diesem Meister eurer Zunft mal bitte zehn Scheiben ab. Ich freue mich immer, wenn ich Leute sehe, die in ihrem Job so aufgehen und ihn mit so viel Liebe ausüben.
In diesem Sinne muss ich jetzt auch wieder zurück zum Schiff, die Bühne ruft.
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