Ueber Anderspilger, Kilometerangaben, waehlerische Berge und einen Urlaub in Bayern: Guten Tag, Guten Tag.
Eigentlich wollte ich ja schon viel frueher wieder bloggen, allerdings hat mir da die Verbreitung des in Deutschland so gewohnten, allgegenwaertigen Internets einen Strich durch die Rechnung gemacht. Tja, deshalb erst heute wieder, 2 Tage, bzw. 50km vor dem ersten Etappenziel: Santiago.
Irgendwie habe ich so das Gefuehl, dass Berge mich nicht moegen. Spanische Berge im Besonderen. Das Problem ist: Ich hingegen mag Berge eigentlich sehr gern. Weshalb ich auf diese abstruse Idee komme? Ganz einfach:
Es gibt genau drei groessere Berge, die auf dem Camino Frances zu bewaeltigen sind. Das erste sind die Pyrenaeen. Wie hier zu lesen, war es arschkalt und es hat den ganzen Tag geregnet, ergo null Aussicht. Der zweite Berg war just einen Tag nach dem letzten Blog, ratet mal wie das Wetter war…? Richtig! Beschissen! Und natuerlich mal wieder keine Aussicht.
Beim dritten Berg (vorgestern) dann, hatte ich endgueltig die Schnauze voll, da es jedes Mal bisher so war, dass ich irgendwelchen Leuten begegnet bin, die mir nachher Bilder von der tollen Aussicht der Berge zeigten… Meisst waren diese Leute genau einen Tag nach mir auf diese Etappen gestartet. Da hab ich mir dann gedacht, ich bin ja clever, ich scheiss einfach auf meine 30km, mache heute nur die Haelfte, halte dafuer genau auf der Spitze des Berges in einer Herberge an, starte am naechsten Morgen spaeter und geniesse die Aussicht. Tja… und was soll ich sagen…? Es hat (fast) funktioniert. Die ersten 2 Kiloemter, war das Wetter fantastisch, dann schlug es noch einmal fuer ca 7km (oben auf dem Berg) um, nur um dann puenktlich zum Abstieg wieder aufzuklaeren… Immerhin hab ich so auch mal, zumindest ein bisschen Aussicht gehabt. Und wie das so aussieht (leider erst bei der Mitte des Abstieges), das seht ihr hier:
Es ist schon fantastisch anzusehen, wenn man geht und man denkt: Hey cool, da direkt neben mir schwebt gerade eine Wolke. 100 Meter spaeter denkt man: Geil, jetzt geh ich in die Wolke hinein. Weitere 30 feuchte Minuten spaeter denkt man dann allerdings irgendwann: Jaa, danke, ich weiss jetzt wie das aussieht, jetzt darf die Wolke auch langsam wieder aufhoeren. Frustrierend, wenn es nur 5 Minuten spaeter dann richtig anfaengt zu regnen. Aber die Sonne hat, wie auf folgendem Bild gut sehen kann, tapfer gekaempft und haette es ja auch beinahe geschafft den Nebel/die Wolke zu vertreiben.
Kommen wir zu einem anderen Punkt meiner, doch recht nichtssagenden Ueberschrift: Bayern. Ich bin seit nun knapp einer Woche im wunderschoenen Galizien angekommen (deshalb auch endlich wieder Berge). Die Landschaft ist wirklich traumhaft schoen… nur… ich weiss nicht… irgendwie werde ich das Gefuehl nicht los einen Kurzurlaub in Bayern gemacht zu haben. Ueberall sieht man kleine Almen, Kuehe mit Glocken (um den Hals) die laut rumbimmeln (die Glocken, nicht die Kuehe), und lauter Menschen, von denen man kein Wort versteht. Quasi wie in Bayern. Ach ja und wenn man dann noch spontan in eine Kuhherde geraet…
Was zum Henker sind denn aber nun Anderspilger? Das ist relativ schnell erklaert:
Wer schon immer mal den Camino de Santiago machen wollte, sich aber bisher nicht getraut hat, oder keine Zeit hatte, oder was auch immer, hier ein Paar Insidertips (die in KEINEM Reisefuehrer stehen):
Es gibt ein Paar Sorten von Pilgern, die einem schon nach kurzer Zeit extreeeem auf die Nerven Fallen.
Da waeren zum einen die Tueten-Terroristen. Das sind Leute (vorwiegend Franzosen und Spanier), die saemtliche Klamotten in ihrem Rucksack, getrennt, in raschlenden Plastiktueten aufbewahren (meisst so um die 10 einzelne) und die es fuer noetig halten, morgens um 6, kurz vor dem Aufbruch, ihren gesamten Rucksack einmal neu zu packen *raschel, raschelraschel, raschelraschel…ihr wisst schon*
Eng verwand sind diese Individuen mit den Illuminati. Das sind keine Pilger die Dan Brown toll finden, sondern Leute, die es sich in den Kopf gesetzt haben, dass wenn sie aufstehen, gefaelligst „Morgen“ zu sein hat. Sprich: Sie machen das Licht an. Egal um welche Uhrzeit! Wir hatten eine Illuminati der ganz dreissten Sorte unter uns in den letzten Tagen (zum Glueck hab ich sie endlich ueberholt, doch dazu spaeter mehr), die es unbedingt fuer noetig hielt um 5 Uhr aufzustehen… Nun ja, was passierte koennt ihr euch sicher denken.
Aber, wenn ihr jetzt schon denkt, oh Gott, das ist ja furchtbar! Seid gewarnt, denn es geht noch schlimmer. Eine der nervigsten Spezies auf dem Camino sind die sogenannten Daywalker. Das sind „Pilger“, die mit einem Rucksackvolumen von einem geschaetzten halben Liter auskommen und sich fuerderhin meist extrem laut unterhalten (hier vorwiegend Spanier). Gerade auf den letzten 100km, die ja fuer die Compostela (den Pilgerschein in Santiago) nur noetig sind, trifft man diese aeusserst vermehrt an. Besondere Merkmale: Wie schon erwaehnt, laute und oft benutzte Stimmorgane, klackende, voellig falsch und daher sinnlos angewandte Stoecke, der oben schon erwaehnte Minirucksack (wenn ueberhaupt), ein sehr schneller Schritt (klar, wer nichts tragen muss und nur einen Tag unterwegs ist…) und vorwiegend weisse Turnschuhe.
Gut, ich habe Euch nun ueber ein Paar Tuecken des Weges aufgeklaert, aber freut euch nicht zu frueh, denn ich bin noch nicht ganz fertig. Ich muss mich noch ganz kurz ueber die teilweise ausserst seltsamen Kilometerangaben auslassen:
Als wir in Frankreich schon dachten diese Schilder waeren seltsam, da nach einem „noch 2,4km“ Schild, nach ueber 45 Minuten ein weiteres „noch 2,4km“ Schild folgte, sollte es in Spanien noch auf die Spitze getrieben werden. Ich hatte schon 35(!!)km hinter mir an diesem Tag und wollte eigentlich die naechste Herberge ansteuern, als ich ein „Tourist Information“ Schild sah, auf dem die Strecke zum naechsten Dorf eingezeichnet war und darunter stand 5,7km. Super, dachte ich mir, irgendwie laeufts heute echt gut, meinen Fuessen gehts top, die 6km schaff ich nun auch noch. Ich weiss ziemlich genau, dass ich nur ungefaehr eine Stunde für 6-7km brauche, also machte ich mich auf den Weg.
Nach einer Stunde und 15 Minuten dachte ich mir: Hey Klasse, da vorne die Haeuser, das muesste es ja eigentlich sein. Den gleichen Gedanken, dachte ich, etwas wuetender, dann 30 Minuten spaeter noch einmal, nur um danach noch wuetender zu werden…
Nach geschlagenen zweieinhalb Stunden, erreichte ich den naechsten Ort. Also nach, lasst mich mal grob schaetzen, circa 15 Kilometern! Wer zum Teufel stellt diese verkackten Schilder auf!? Berechnet der die Luftlinie pi mal Daumen und rundet ab, oder was? Wie auch immer, 3 Kilometer vor meinem Ziel schleuderte ich irgendwann wuetend meinen Rucksack auf den Boden und legte eine grosszuegige Pause ein. Und in dieser Pause passierte es dann….
Die Morgenluft wird langsam frisch. Das liegt zum einen daran, dass die Jahreszeiten voranschreiten und es langsam eben kaelter wird, zum anderen aber liegt es an eben jener Pause, die ich gerade beschrieben habe, beziehungsweise an dem, was in just jener Pause am Wegesrand passierte. Ich habe geschafft, was sicherlich noch nicht viele vor mir und garantiert auch nur wenige nach mir schaffen werden….
Ich gestehe voll Schande: Ich habe, dank Aerger und Frust, die Hosenbeine meiner Zip-Off-Hose liegen gelassen… Aus diesem Grund bin ich nun seit ein Paar Tagen kurz-hosig unterwegs.
Nun ja, ein bisschen Schwund ist immer, oder wie man eigentlich auf alles was einem auf diesem Weg passiert sagen kann: „That’s the Camino“
In diesem Sinne, beste Gruesse aus Spanien, ich melde mich wieder, wenn ich Santiago erreicht habe.
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