Der Wecker klingelt viel zu früh. Kaum dass wir wach sind fiept unser Telefon und die Rezeptionistin teilt uns mit, dass der Transfer bereits da ist. Immer noch in der Annahme, dass wir direkt vom Hotel mit dem Bus abgeholt werden, gehen wir runter und bezahlen. Jetzt wird mir auch klar, warum der Transfer-Mann so viel Stress macht: Es ist lediglich der Motorcycle-Transfer zum Bus und der fährt schon in 10 Minuten ab. Zum Glück ist Hanoi um fünf Uhr morgens noch ziemlich verschlafen, denn das Tempo, mit dem wir jetzt gerade rasen, würde im Mittagsverkehr unweigerlich zu bösen Unfällen führen.
Der Bus wartet am Straßenrand und wir steigen ein. Erste positive Überraschungen des Tages: Der Bus ist klimatisiert und mit Liegeplätzen ausgestattet. Herrlich! Ich weiss bis heute nicht, warum wir überhaupt zu diesem Bus gebracht wurden, denn nach nur drei zurückgelegten Kilometern, mussten wir am Busbahnhof in einen anderen Liegebus wechseln. Warum hat uns der Motorcycle-Fahrer dann bitte nicht direkt hierher gebracht…? Nun ja, wie ich ja an Tag 1 schon prophezeite: Es wird in diesem Land nicht nur bei einer ungelösten Frage bleiben. Der Busbahnhof spottet jedem Versuch, dieses Chaos beschreiben zu wollen. Hunderte Busse fahren kreuz und quer durcheinander. Wild hupend, quer auf dem riesengroßen Platz parkend, hin und her-rangierend, kurz: Der reinste Ameisenhaufen. Geschäftig und undurchschaubar. Aber, wie überall in Vietnam: Irgendwie funktioniert dieses Chaos.
Die Busfahrt ist schön, aber ereignislos. Man kann quasi dabei zusehen, wie sich die Landschaft um einen herum langsam verändert. Die Steinhäuser weichen immer mehr Wellblechhütten und Holzbauten. Sogar einige traditionelle Pfahlhäuser tauchen im späteren Verlauf auf. Die Urbanität weicht Reisfeldern und Urwald, die ebene Fläche den Bergen. Einzige unberechenbare und „spannende“ Komponente der Fahrt, die teils irrwitzigen Überholmanöver auf den engen, an Steilhängen entlang führenden Straßen. Nicht, das die geringe Straßenbreite schon bei entgegen kommendem Verkehr teilweise knapp, und damit gefährlich genug ist, nein, überholen ist scheinbar Volkssport. Beispiel gefällig?
Vor uns fährt ein beladener LKW. Es geht in eine Rechtskurve. Rechts von uns Berg, also nicht einsehbar was dort kommen mag, links Steilhang. Der Busfahrer setzt munter zum Überholmanöver an… Uaaaa! Wie gut, dass wir relativ weit hinten sitzen und von solchen Manövern meist wenig bis gar nichts mitbekommen. Mein Soundtrack für die Fahrt: Der Soundtrack von „Into the wild“ von Eddie Vedder. Mit diesem versuche ich, das unsägliche 80er-Jahre-Gedudel, einer in Dauerschleife im Busfernseher laufenden vietnamesischen Varieté-Show, zu übertönen. Eigentlich wollte ich auf der Fahrt meinen Blog von Tag 2 und 3 schreiben, damit komme ich allerdings nicht weit. Aufgrund der immer stärker werdenden Kurven und Serpentinen, wird mir bald vom Starren auf den kleinen Bildschirm und gleichzeitigen Hin- Und Hergeschaukelt-werden ziemlich schlecht. Eine Vietnamesin, die rechts unter uns sitzt/liegt hat dieses Problem die gesamte Fahrt über, ohne dass sie einen kleinen Bildschirm dafür bräuchte und erbricht sich, seekrank und grün im Gesicht, unzählige Male. Die Arme. Zum Glück merke ich es nur, wenn ich auf den Bildschirm gucke und das lässt sich ja zum Glück umgehen. Ich vertage den Blog auf später.
In Deutschand sind wir es gewöhnt, dass die Ziele, die auf dem Bus stehen auch angefahren werden. Nicht so hier, wie wir bald feststellen müssen. Nach zehn langen Stunden im Bus müssen wir noch einmal Umsteigen. Wir werden in einen Minibus verfrachtet. Dass dieser, für neun Leute ausgelegt, mit den 15 Insassen eigentlich schon mehr als voll ist, stört hier keinen. Kurzerhand bekommen wir zwei kleine blaue Plastikhocker (klar, was auch sonst) und quetschen uns damit neben die Sitzreihen. Nach einer weiteren Stunde voller Serpentinen und derben Kurven und Kehren (wem von vielen Kurven schlecht wird, sollte Sa Pa lieber mit dem Zug anfahren) kommen wir endlich an. Wir beziehen das Hotel (ganz okay, nur leider zur Zeit ohne Warmwasser) und begeben uns in die Stadt, Essen jagen. Doch weit kommen wir nicht.
Kaum sind wir auf der Hauptstraße angekommen, werden wir auch schon von lustigen, kleinen Frauen in blauer Tracht (den Hmong) belagert. Sie sprechen entgegen jeder Erwartung und vermutlich dank des Tourismus‘ hier oben in den abgelegenen Bergen, alle relativ gut englisch und wollen von uns alle nur das eine: Das wir am nächsten Tag mit ihnen, ihr Dorf besuchen gehen. Man merkt und sieht jetzt schon, dass dieses Dorf einzig und allein auf Tourismus aufgebaut ist und von diesem lebt. Ein Touri-Restaurant reiht sich an das nächste, jeder spricht englisch, die Läden sind allesamt entweder Souveniershops, oder Trekking-Ausrüster. Hm, na ja, ich hatte eigentlich etwas anderes von einem abgelegenen Bergdorf erwartet…
Nach über einer halben Stunde können wir uns endlich aus den immer gleichen Anquatsch-Ritualen der Hmong-Frauen befreien und unser wohlverdientes Abendessen einnehmen. Das Essen ist wieder mal interessant, aber großartig.
Satt und glücklich gönnen wir uns noch ein Bier und begeben uns ins Bett. Der Tag war mit über elf Stunden Busfahrt lang genug. Morgen geht es auf ins Hmong-Städtchen Cat Cat. Es soll ganz idyllisch an einem Wasserfall in einem grünen Tal gelegen sein. Klingt wunderschön. Wir sind gespannt was uns auf dem Weg und im Dorf morgen erwartet.
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