…so viel zum Thema aktuell…
Die ersten Wochen an Bord vergehen genau so schnell wie die letzten Wochen an Land. Neben Trainings für Safety an Bord, den Umgang mit unseren Kollegen aus anderen Departments und Ländern (die Crew besteht derzeit aus 1021 Personen von 54 verschiedenen Ländern), erste Hilfe Kursen, Umwelt-Vorlesungen und vielen anderen Vorlesungen, gehen wir zu jeder Zeit in der die Räume nicht besetzt sind ins Theater und unsere zweite Spielstätte, das Klanghaus um die Stücke auf den finalen Bühnen zu proben.
Unsere Schauspiel/Gesangs/Tänzer/Akrobaten-Kollegen, insgesamt 22 Leute, die am Ende unserer ersten Reise, also in exakt 2 Wochen das Schiff verlassen, spielen derweil all ihre Shows das letzte Mal. Da wir die meisten Shows nicht übernehmen, sondern komplett andere, neue Shows spielen werden (was tatsächlich die Ausnahme und nicht die Regel ist), ist es interessant sich die ganzen Programme der alten Kollegen noch anzuschauen, bevor sie abgespielt sind. Wir verstehen uns alle auf Anhieb super mit der alten Cast und treffen uns fast jeden Abend in der Crew-Bar (ja, die Crew hat ihre eigene Bar) um zu quatschen und ein bisschen zu feiern. Trotz das wir die Kollegen nur so kurz haben kennenlernen dürfen, verabschieden wir uns nach den zwei Wochen sehr herzlich. Typischer Schiffs-Satz an diesem Punkt: „Man sieht sich in einem anderen Vertrag“.
Immerhin, zwei der Artisten bleiben noch auf dem Schiff, da einer unserer Artisten kurz vor Vertragsbeginn (einen Tag vor Abfahrt), aufgrund seines Verhaltens gegenüber den anderen Artisten, von TUI gefeuert wurde.
Kaum sind die Kollegen allerdings von Bord, geht es mit den Proben für uns erst richtig los, denn jetzt, ohne die Programme der anderen, müssen wir natürlich abliefern. Jetzt sind schließlich wir das Unterhaltungsprogramm an Bord. So stehen nun sämtliche Premieren unserer Shows nacheinander an. Normalerweise gibt es bei einem Wechsel ein bis zwei neue Stücke, der Rest wird von der alten Cast einfach übernommen. Dann sind die sogenannten „Overlaps“ auch nicht länger als circa eine Woche. Bei uns sind es allerdings insgesamt neun neue Stücke. Neun Stücke, die entweder generell noch nie, oder noch nie an Bord der MS3 gespielt wurden. Dementsprechend hoch ist der Druck für alle, da man ja neben den Proben auch noch das Licht programmieren, Soundchecks machen und Content für die LED Wände fertig programmieren muss.
Aufgrund dessen schaffe ich es in den ersten drei Wochen an Bord sagenhafte zwei Mal meine Füße auf Land zu setzen.
Aber von vorne:
So groß einem das Schiff im ersten Moment auch erscheint, so schnell findet man sich an Bord zurecht und denkt: So groß ist das ja alles gar nicht. Die Spielstätten sowie einige der Bars und Restaurants sind auf Deck 4 und Deck 5, Pool, Fitnessstudio, Spa und weitere Bars und Restaurants auf Deck 12 und 14 (an Bord von Schiffen gibt es kein Deck 13). Dazwischen gibt es nur Kabinen für Pax (wie hier die Passagiere als Kurzform genannt werden). Kurzum: Außer Deck 4, 5, 12 und 14, gibt es eigentlich nichts Interessantes, dass man sich zur Orientierung merken müsste.
Am vierten Tag fahren wir das erste Mal in den Geiranger Fjord in Norwegen ein. Ab 4 Uhr gibt es heiße Schokolade und Kaffe auf unserem ganz vorne im Bug befindlichen Crew-Deck, damit man den Sonnenaufgang in diesem einzigartigen Panorama genießen kann. Dennoch bringt mich nicht mal das dazu in dieser stressigen Zeit so früh aufzustehen. Immerhin schaffe ich es mich gegen sechs Uhr aus dem Bett zu schälen, gerade noch rechtzeitig um die „sieben Schwestern“, sieben direkt nebeneinander befindliche Wasserfälle, zu bewundern.
Ich bleibe an Deck, bis wir im Geiranger Häfchen einlaufen. Trotz dessen, dass es die zweitgrößte Anlaufstelle für Kreuzfahrtschiffe in Norwegen ist, ist der Hafen sehr klein. Und obwohl ich Handschuhe und Mütze getragen habe, ist mir in den knapp zwei Stunden doch noch ordentlich kalt geworden.
So schön der Ausblick vom Deck auf das verschlafene Geiranger-Dorf in dieser unfassbaren Kulisse auch ist, viel haben werde ich heute von diesem Anblick nicht. Wir haben leider wieder… na? Richtig: Safety Trainings.
Immerhin ist der Chief Engineer, der mit uns die Runde über das Schiff macht und uns die Standorte von Rettungsbooten, das Einsteigen in diese und sämtliches Rettungs-Equipment an Bord erklärt, ein sehr entspannter, junger Australier namens Matt. Der immer grinsende, blonde Lockenkopf-Chief lässt uns sogar etwas früher gehen, damit wir noch am BBQ auf unserem Crew-Deck teilnehmen können. Das ist doch mal ein Crew-freundlicher Offizier.
Mittlerweile ist auch die Sonne herausgekommen und trotz sehr nördlichen Breitengraden ist es angenehm warm. Die Stehtische beim BBQ würfeln, da es eindeutig zu wenige sind, die Leute an Deck schön durcheinander und so lerne ich neben einigen unserer Vorgänger-Kollegen auch unseren Chefarzt und einige andere nette Crewmitglieder kennen. Zwischendurch habe ich, auch wenn ich hier leider nicht raus komme, immerhin noch ein bisschen was vom traumhaften Ausblick auf den Fjord.
Zwei Tage später, in Honningsvag, habe ich meine erste Stunde Freizeit in meinem Plan. Ich beschließe das erste Mal das Schiff zu verlassen. Dummerweise vergesse ich genau bei diesem Vorhaben meine Kabinenkarte… also… in meiner Kabine. Da man diese Karte aber braucht um sich ab- und wieder auf dem Schiff anmelden zu können (ein elektronisches System, damit man immer genau weiss, wer eventuell noch fehlt), stehe ich dumm da und verbringe meine kostbare Freizeit nun damit, auf jemanden aus dem Housekeeping zu warten, der mir meine Kabine wieder öffnet. Dö döm!
Apropos Kabine: Im ersten Moment dachte ich: Oh man, is die klein. Aber schon am selben Abend, nach dem ersten Einrichten, fühle ich mich eigentlich ganz wohl und selle fest: Mehr Platz brauche ich gar nicht. Ich habe mehrere Schränke, einen Schreibtisch, einen Fernseher an der Wand über meinem 1,40m x 2,00m großen Futon Bett, eine kleine Nasszelle mit Dusche, Klo, Spiegel und Waschbecken, eine Garderobe und sogar einen kleinen Kühlschrank für die Schokolade und das Feierabend Bierchen. Spartanisch, aber durchaus ausreichend.
Ein paar Fotos von meinen Freunden an den Wänden, dem Inhalt meines Rucksackes in den Schränken und auf dem Schreibtisch, fühle ich mich schon deutlich wohler.
Dennoch schlafe ich in den ersten Nächten eher schlecht. Die Klimaanlage rauscht als ständiger Klangteppich im Hintergrund, die Geräusche auf den Decks unter (Wäscherei) und über mir (Theater) sind ungewohnt und auch die trockene Luft, halten mich wach.
Am nächsten Tag, immer noch in Honningsvag, schaffe ich es tatsächlich an meine Kabinenkarte zu denken und fahre da fort, wo ich gestern gescheitert bin.
Ich setze das erste Mal, nach einer Woche meine Füße wieder auf Festland. Zwar habe ich nur eineinhalb Stunden Zeit, aber das reicht um sich ein wenig die Beine zu vertreten und mal mit meinen Eltern zu telefonieren. Die Mama beruhigen, dass alles gut ist.
Und das ist gar nicht mal so selbstverständlich, denn wir hatten direkt am zweiten Tag ein größeres Feuer an Bord…
Ich wollte gerade mit Karolina, meiner einzigen weiblichen Schauspiel Kollegin, von der Crew-Mess (unserer Mensa, mehr dazu im nächsten Blog), zurück auf die Kabine, um noch ein wenig zu relaxen vor der nächsten Probe, da werden wir ziemlich rüde von Security Leuten wieder die Treppe herauf geschickt. Im nächsten Moment hören wir den Sicherheitscode für „Feuer“ über die Lautsprecher. Solche Ernstfälle werden immer codiert ausgesprochen, damit bei solch einer Durchsage nicht direkt jeder Passagier weiss, worum es sich handelt und Panik sich breit macht. Logisch, denken wir, gestern erst den Drill und das Training für die Notsignale, da wird jetzt direkt den Tag darauf mal getestet, ob auch alle aufgepasst haben. Nach weiteren 40 Minuten in der Crew-Mess, die wir weiterhin die „Autobahn“ (so der Name für den 200 Meter langen Gang, der auf Deck 2 ein mal von vorne bis hinten, längs durch das Schiff verläuft und die Hauptverkehrsader für die Crew ist) nicht betreten dürfen, wird uns allerdings klar, dass es sich hierbei mitnichten um eine Übung handelt. Wir erfahren später, dass ein Feuer im inneren der Müllverbennungsanlage (was für eine Ironie), über mehrere Stunden nicht gelöscht werden konnte. Der Boden des darüber befindlichen Decks ist daraufhin bis auf über 90° aufgeheizt worden. Ein großes Problem, da sich exakt dort sämtlicher Papier und Plastikmüll befindet. Über 4 Stunden lang sind immer wieder kleinere Brände aufgeschwelt und der Boden musste ständig gekühlt werden. Ja, auch wenn diese Drills oft nerven und man das Gefühl hat, jede Woche den gleichen Mist zu machen, in einem solchen Fall kann man nur froh sein, dass man es hier mit einer Mannschaft zu tun hat, die genau weiss, was in so einem Fall zu tun ist.
In diesem Sinne Mast und Schotbruch
Noch keine Kommentare