Gefahrene Kilometer: 117 – Kasane bis Sambezi National Park
Heute geht es erneut über eine Grenze. Ziel: Vic-Town in Simbabwe.
Die Ausreise aus Botswana ist unkompliziert und schnell, die Einreise nach Simbabwe dagegen das genaue Gegenteil. Die längste und nervigste Grenze unserer bisherigen Reise durch Südwest-Afrika. Jeder braucht ein Einreisevisum, eine Straßennutzungserlaubnis, sowie eine einjährige(!) Versicherung für sein Auto. Das wir nur zwei Tage bleiben wollen um die Victoria-Falls zu bestaunen, interessiert niemanden. Insgesamt braucht jeder um die zehn verschiedenen Stempel auf diverse Dokumente und ist nach der über zweistündigen Aktion ungefähr 150€ ärmer. Was für ein Aufriss, Herr Mugabe braucht wohl Geld. Na ja, hoffentlich lohnt sich der ganze Terror. Aber nachdem was die anderen von den Vic-Falls so erzählen, scheint es das wohl.
Nach weiteren 15 Minuten Kontrolle unserer Fahrzeuge nach Waffen und Schmuggelgut, haben wir es endlich geschafft. Hallo Simbabwe, das vierte und letzte neue Land unserer Reise. Nach Sambia werden wir es in diesem Jahr leider nicht schaffen. Das sind die drei Tage schuld, die wir am Anfang zurück fahren mussten.
Erster Anlaufpunkt ist der Zambezi Nationalpark, in dem unser heutiges Camp liegt. Wir bezahlen den Eintritt in den Park, sowie die Nacht auf der Campsite (wieder fast 50€ pro Person – Simbabwe ist mir jetzt schon zu teuer) und beschliessen erst noch der nahen Krokodil-Farm, mit über 40.000 Krokodilen die größte Afrikas, einen Besuch abzustatten, bevor wir in den Park fahren, da die Campsite vom Eingang der Lodge noch eine gute Stunde entfernt liegt.
Die Farm ist der größte Produzent von Krokodillederprodukten und Krokodilfleisch in Afrika. Wir bekommen einen Führer zugewiesen und dieser startet auch sofort mit seiner Tour. Wir lernen sehr viel Interessantes, wie zum Beispiel den Unterschied zwischen Alligatoren und Krokodilen, dass Krokodile in ihrem circa 100 Jahre umfassenden Leben 45 Mal neue Zähne bekommen und dass das größte Krokodil der Welt, Gustav (kein Witz), in Tansania lebt und sagenhafte 7,90m lang ist.
Eine Station später dürfen wir drei Wochen bis zwei Monate alte Mini-Krokdile in der Hand halten. Es wird uns genau erklärt, wie wir die Babys zu halten haben, da auch diese schon ein messerscharfes, gefährliches Gebiss haben und einem, wenn man nicht aufpasst, durchaus einen Finger kosten können.
Wir sehen Krokodile in sämtlichen Altersklassen, erfahren, dass die Tiere der Farm selten älter als 20-30 Jahre werden, bevor sie geschlachtet werden und das Fleisch und Leder weiterverarbeitet wird. Auch wenn die Führung und die Infos super interessant sind, kommt es einem doch so vor, als würde man hier, so schnell es geht, durch die verschiedenen Stationen geführt werden, um so schnell es geht am Ende wieder im Souvenirshop mit Kroko-Produkten zu landen. Bleibt man einmal länger stehen, oder geht einen Weg der nicht vorgesehen ist, wird man sofort eher weniger freundlich zurecht gewiesen.
Höhepunkt der Führung ist eine Fütterung der vier bis sechs Meter großen Krokodile im Hauptbecken der Farm. Der Guide geht mit einem großen (und unfassbar stinkenden) Stück Elefantenfleisch auf die Brücke oberhalb des Geheges und befestigt das Stück an einer Art Angel. Sofort verschwinden alle Krokodile lautlos im Wasser. Was jetzt folgt spottet jeder Beschreibung.
Die Riesenechsen katapultieren sich komplett senkrecht(!) aus dem Wasser, bis nur noch das letzte Ende des Schwanzes ins Becken peitscht und schnappen nach dem stinkenden Leckerbissen. Das Geräusch, wenn die riesigen, unglaublich muskulösen Kiefer zuschnappen ist unbeschreiblich und jagt einem, ob man will oder nicht, jedes einzelne Mal eine Gänsehaut den Rücken herauf und wieder herunter.
Da sämtliche Kroko-Souveniers in Deutschland verboten sind und man hart für die Einfuhr bestraft werden kann, fällt unser Kaufrausch im Shop sehr spartanisch aus. Auch wollen wir diesem Betrieb nicht noch mehr Geld in den Rachen werfen, als wir es soeben sowieso schon getan haben. Wir fahren also, durch einen derben Regenguss, zurück zum Nationalpark.
Letzter Wegpunkt für heute, das Nachtlager. Das klingt nun einfach gesagt, aber dieses muss man in dem vollständig überwucherten und sehr selten besuchten Nationalpark erst einmal finden…
Nachdem wir eine Stunde lang durch dichtesten Busch gefahren sind und links und rechts der “Straße” immer mal wieder Geisterbahn-artig riesige Elefantenköpfe aufgetaucht sind und Gisi bei seiner geplanten Pinkelpause ein vier Meter langes Krokodil direkt neben sich ins Wasser gleiten sieht, beschliessen wir das mit der geplanten Pause lieber auf die Campsite zu verschieben.
In diesem Park befindet man sich mitten im Dschungel. Alles ist zugewuchert, die Wege teilweise kaum zu erkennen. Buschpassagen wechseln sich mit sehr anspruchsvollen Schlamm- und Wasserloch-Passagen ab und mehr als einmal kommen wir beim Durchfahren an unsere Grenzen und die der Autos. Immer wieder gibt es Stellen, die wir nacheinander einer nach dem anderen durchfahren, nur um dem Hintermann Bescheid zu geben, wo er besser nicht herfahren sollte. Es geht aber wie durch ein Wunder alles gut und die Abschleppseile werden heute nicht gebraucht. Gott sei Dank, denn in diesem urwüchsigen und schwer zu überschaubaren Dickicht möchte niemand gerne zu lange außerhalb der Fahrzeuge bleiben, geschweige denn durch ein Wasserloch waten müssen um ein Seil anzubringen…
Der letzte Kilometer vor der Campsite verlangt uns und den Autos noch einmal alles ab. Der Weg ist nun wirklich nicht mehr als solcher zu bezeichnen. Man kann kaum noch sagen, ob man überhaupt noch auf der Strecke ist, oder schon auf irgendeinem der vielen Elefantenpfade dahin holpert.
Die Campsite entschädigt jedoch für alles. Zwar stellt sich die teuer bezahlte Nachtunterkunft als simples Stück Wiese ohne jeglichen Komfort wie Toiletten oder fliessend Wasser heraus. Allerdings ist letzteres auch gar nicht nötig, da sich das Nachtlager direkt am Ufer des sich verzweigenden Sambesi-Flusses befindet. Eine kleine, circa vier Meter hohe Abbruchkante trennt einen vom müde dahingleitenden Wasser. Die Aussicht ist gigantisch. Wir parken unsere Toyotas direkt an der Kante und werden mit einem der besten Dachzelt-Aussichten der Reise belohnt. Absolut genial! Zwar ist Sunny und mir etwas mulmig dabei unser Auto direkt neben einem offensichtlichen Elefantenabstieg zu parken (die tiefen, breiten Furchen lassen keine andere Deutung zu und sehen dazu auch noch recht frisch aus), aber wir hoffen einfach, dass die Elefanten heute Nacht, oder morgen früh nicht baden möchten.
Feuerholz wird heran geschafft und Tom facht in der Dämmerung unsere Gaskocher an, um erneut seine berühmte Bohnenpfanne zu zaubern. Endlich komme ich auch mal in den Genuss, denn das letzte Mal konnte ich davon ja leider nichts probieren. Kurz bevor es dunkel wird, werden wir noch Zeuge eines unglaublich seltenen Spektakels. Am anderen Ufer, keine hundert Meter von uns entfernt, starten zwei Hippos laut brüllend einen blutigen Kampf. Wie wir von unserem gestrigen Guide wissen, passiert so ein Hippokampf nur, wenn das Alpha-Tier einer Horde herausgefordert wird, was durchaus auch tödlich für einen der beiden Kontrahenten ausgehen kann. Der Verlierer wird danach aus der Horde verbannt und muss sich von nun an allein durchschlagen.
Unsere Hippos katapultieren sich mehrfach aufeinander zu und zerkratzen sich ihre massigen Rücken. Nach gut fünf Minuten ist das Spektakel vorbei und der Unterlegene verschwindet in den Fluten des Sambesi.
Gisbert ist völlig von den Socken und sagt uns, dass er in den letzten fünf Jahren Afrika zusammengenommen, nicht so viel erlebt und gesehen hat, wie in diesem einen Jahr. Liegende Wüsten-Elefanten, oder auch einen Elefanten direkt im Lager, eine ganze Herde mit hunderten von Zebras, einen wilden Leoparden, mittendrin in einer Horde Wasserbüffel, eine ganze Kompanie gerissener, diebischer Meerkatzen… Und Zeuge eines solchen Schauspieles, wie wir es hier gerade erlebt haben werden, schätze ich, nicht mal 1% der Afrika-Touristen.
Nach der Aufregung kommt uns Toms Bohnenpfanne am Lagerfeuer gerade recht. Je weiter sich die Dunkelheit über das Land legt, desto zahlreicher und lauter werden die klackenden Frösche und die tollen und gleichzeitig unheimlichen Geräusche eines nächtlichen Urwaldes.
Inspiriert durch die Urwüchsigkeit der Umgebung und den Erlebnissen des Tages, schnappe ich mir spät Abends noch meine Kamera, schalte auf Langzeitbelichtung und probiere ein Experiment aus, welches mir schon lange im Kopf herum schwirrt. Malen mit Licht. Ich zeichne, während die Kamera circa dreißig Sekunden lang belichtet, mit einer Lampe, die ich immer wieder verdecke, Buchstaben ins nächtliche Afrika.
MPS SWA
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